12.10.2014 Aufrufe

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Teil III: Eine formtheoretis<strong>ch</strong>e Erkenntnistheorie<br />

Der dritte und letzte Teil dieser Einführung entwickelt aus den knappen Andeutungen von<br />

George Spencer Brown zu im weitesten Sinne philoso¬phis<strong>ch</strong>en Implikationen <strong>der</strong> Laws of<br />

<strong>Form</strong> Grundzüge einer Erkenntnis¬theorie. Im Folgenden wird überdies deutli<strong>ch</strong> werden,<br />

dass wir uns auf einem Terrain bewegen, in dem ni<strong>ch</strong>t zwis<strong>ch</strong>en Erkenntnistheorie und<br />

Ontologie unters<strong>ch</strong>ieden ist.<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> stellt dieser Teil einen Antwort¬versu<strong>ch</strong> auf Fragen dar,<br />

wie es (ganz allgemein) zu all dem kommt, was wir erkennen, wer wir selbst sind und<br />

wel<strong>ch</strong>en Zusammenhang es zwis<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tetem und Beoba<strong>ch</strong>tendem gibt.<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung interessiert als Prozess des Unters<strong>ch</strong>eidens, und daran ans<strong>ch</strong>ließend rücken<br />

Fragen in den Mittelpunkt, wie Erkenntnis mögli<strong>ch</strong> ist und worüber und für wen. <strong>Die</strong>s ergibt<br />

si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung o<strong>der</strong> mit den Worten von Humberto R.<br />

Maturana: aus dem Stellen <strong>der</strong> „Beoba<strong>ch</strong>ter-Frage“, die die Bedeutung des Beoba<strong>ch</strong>ters in<br />

dem Prozess <strong>der</strong> Entstehung von Erkenntnis über Realität thematisiert (vgl. MATURANA<br />

1997: 37f.)<br />

<strong>Die</strong> philosophis<strong>ch</strong> relevanten Aspekte <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus dem<br />

Indikationenkalkül ablesen. <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen beziehen si<strong>ch</strong> deshalb<br />

hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf Anmerkungen von George Spencer Brown, die erläuternd neben dem<br />

Indikationenkalkül stehen. Das sind hauptsä<strong>ch</strong>¬li<strong>ch</strong> die Vor- und Na<strong>ch</strong>worte <strong>der</strong> Gesetze <strong>der</strong><br />

<strong>Form</strong> sowie die Anmerkun¬gen zum Kalkül; die vereinzelten Kommentare zu den Laws of<br />

<strong>Form</strong> in A Lions teeth und Only two can play this game; und einige Erläuterungen auf <strong>der</strong><br />

oben in <strong>der</strong> Einleitung erwähnten AUM-Konferenz. Dabei werden in diesem Text au<strong>ch</strong> die<br />

buddhistis<strong>ch</strong>en und daoistis<strong>ch</strong>en „Spuren“ verfolgt, die George Spencer Brown gelegt hat.<br />

Dass überhaupt die Mögli<strong>ch</strong>keit besteht, aus den Laws of <strong>Form</strong> ganz unmathematis<strong>ch</strong>e<br />

Einsi<strong>ch</strong>ten zu gewinnen, begründet George Spencer Brown mit <strong>der</strong> Mä<strong>ch</strong>tigkeit <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>e<br />

<strong>der</strong> Mathematik. In dieser Dis¬ziplin lässt si<strong>ch</strong> das Einfa<strong>ch</strong>ste und Fundamentalste<br />

formalisieren. Mit den Laws of <strong>Form</strong> wird<br />

„die Disziplin <strong>der</strong> Mathematik als Weg erkannt, <strong>der</strong>, ma<strong>ch</strong>tvoll im Verglei<strong>ch</strong> zu an<strong>der</strong>en, uns<br />

Aufs<strong>ch</strong>luss gibt über unser inneres Wissen von <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Welt und nur nebenbei mit<br />

<strong>der</strong> uns gemeinen Fähigkeit zu denken und zu re<strong>ch</strong>nen assoziiert ist.“ (SPENCER BROWN<br />

1997: XXVII)<br />

<strong>Die</strong> Laws of <strong>Form</strong> sind ein grundlegendes Mathematikbu<strong>ch</strong>, weil sie ni<strong>ch</strong>t mit einer<br />

bestimmten (beliebigen) Unters<strong>ch</strong>eidung beginnen, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung <strong>der</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>eidung. Da alles erkennbar und bes<strong>ch</strong>reib¬bar ist dur<strong>ch</strong> das Treffen von<br />

Unters<strong>ch</strong>eidungen, indem Anzeigen verwen¬det werden – das heißt, weil alles <strong>Form</strong> ist –,<br />

kann man mit den Laws of <strong>Form</strong> aber au<strong>ch</strong> etwas über die Struktur <strong>der</strong> Welt, in <strong>der</strong> wir leben,<br />

erkennen. Insofern handelt es si<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>ermaßen um ein grundlegendes philosophis<strong>ch</strong>es<br />

Bu<strong>ch</strong>. Das heißt, die formtheoretis<strong>ch</strong>e Erkenntnistheorie ist ni<strong>ch</strong>t eine weitere Interpretation<br />

des Indikationenkalküls, so wie für Logik und Zahlen. Vielmehr sind die Laws of <strong>Form</strong><br />

glei<strong>ch</strong>ermaßen ein mathe¬matis<strong>ch</strong>er und philosophis<strong>ch</strong>er Text.<br />

„Der Erfolg des Rezeptes „unters<strong>ch</strong>eide!“ ma<strong>ch</strong>t nur deutli<strong>ch</strong>, dass alles Erkennen letztli<strong>ch</strong> im<br />

Unters<strong>ch</strong>eiden besteht, also letztli<strong>ch</strong> auf <strong>Paradoxie</strong>n gegründet werden muss. Das gibt <strong>der</strong><br />

Logik von George Spencer Brown ihre no<strong>ch</strong> kaum erkannte Bedeutung für die<br />

Erkenntnistheorie.“ (LUHMANN 1992: 122 f.)<br />

Insofern es in <strong>der</strong> Erkenntnistheorie darum geht, in wel<strong>ch</strong>em Verhältnis Mens<strong>ch</strong> und<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit (bzw. Beoba<strong>ch</strong>ter und Welt) zueinan<strong>der</strong> stehen, gewinnt <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

Beoba<strong>ch</strong>tung (und damit: Unters<strong>ch</strong>eidung) an Bedeutung. Denn die Beoba<strong>ch</strong>tung stellt das<br />

Bindeglied dar; dur<strong>ch</strong> sie ers<strong>ch</strong>einen Subjekt und Objekt miteinan<strong>der</strong> verbunden – na<strong>ch</strong>dem<br />

sie getrennt wurden. Setzen wir für einen Moment die Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Welt und<br />

84

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!