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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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die wir bezügli<strong>ch</strong> des Begriffes <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung oben eingeführt haben, können wir das<br />

au<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>reiben als ein Ni<strong>ch</strong>t-Identifizieren, als ein im Hier-Jetzt sein. Ohne zu werten tun,<br />

was zu tun ist.<br />

<strong>Die</strong> Grenze zwis<strong>ch</strong>en Selbst und An<strong>der</strong>em ist eine Grenze mit eben diesen beiden Seiten.<br />

Das heißt: Selbst und An<strong>der</strong>es bedingen si<strong>ch</strong>, gehören zusammen; man erlebt die<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit genau so, wie man sie ma<strong>ch</strong>t.<br />

Es ist wohl au<strong>ch</strong> klar, dass si<strong>ch</strong> diese Si<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Dinge ni<strong>ch</strong>t von selbst einstellt o<strong>der</strong> dadur<strong>ch</strong>,<br />

dass man darüber na<strong>ch</strong>denkt. Dur<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>denken kann man nur glauben, dass da etwas<br />

dran sein könnte.<br />

II.<br />

Wir kommen nun auf <strong>Paradoxie</strong>n zurück und bringen sie in einen Zusam¬menhang mit Zen:<br />

Wenn man Zen in einem Dogma fassen wollte, dann müsste es lauten: Habe kein Ideal;<br />

indem du ni<strong>ch</strong>t wertest, son<strong>der</strong>n alles, was in dir und um di<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ieht, als sol<strong>ch</strong>es (vor-<br />

)urteilsfrei beoba<strong>ch</strong>test. Man kann si<strong>ch</strong> das sehr unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> vorstellen, hat man aber<br />

eine Vorstellung und versu<strong>ch</strong>t, sie zu realisieren, folgt man einem Ideal. Man hat zwis<strong>ch</strong>en<br />

ri<strong>ch</strong>tig und fals<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ieden. Allerdings ist au<strong>ch</strong> kein Ideal haben zu wollen ein Ideal.<br />

Ebenso würde es si<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung verhalten, kein Ziel zu errei<strong>ch</strong>en. Das Kein-Ziel-<br />

Errei<strong>ch</strong>en ist dann das Ziel. Entspre<strong>ch</strong>end können wir die bedingungslose Wertfreiheit des<br />

Zen in ganz angemessener Weise formulieren als: Zen legt Wert auf Wertfreiheit!<br />

Au<strong>ch</strong> Niklas Luhmann und Peter Fu<strong>ch</strong>s sehen eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en Differenztheorie<br />

und Zen-Buddhismus. Und ihre Vorliebe in diesem Zusammenhang gilt in „Vom Zweitlosen:<br />

Paradoxe Kommuni¬kation im Zen-Buddhismus“ <strong>der</strong> <strong>Paradoxie</strong>. Für sie zeigt si<strong>ch</strong> die<br />

Para¬doxie in <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung (Differenzgebrau<strong>ch</strong> und Selbstbezug) von<br />

Diffe¬renzlosigkeit (Negation von Differenz):<br />

„<strong>Die</strong> Zen-<strong>Paradoxie</strong> liegt darin, dass je<strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong>, Differenzlosigkeit zu beoba<strong>ch</strong>ten, im<br />

Moment des Versu<strong>ch</strong>s Differenzlosigkeit aufhebt.“ (LUHMANN/FUCHS 1997: 54)<br />

Obwohl die Leere demna<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beoba<strong>ch</strong>tet werden kann, gibt es aber ans<strong>ch</strong>einend<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten, sie zu erfahren. Im Zen wird Zazen gelehrt. Niklas Luhmann und Peter Fu<strong>ch</strong>s<br />

formulieren zwar keine Mögli<strong>ch</strong>keit in <strong>Form</strong> einer Anweisung, unterstellen aber die Existenz<br />

und die Erfahrbarkeit <strong>der</strong> Leere, <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>t-Zweiheit.<br />

„Der Zen-Buddhismus will die immanente Erfahrung <strong>der</strong> primordialen Differenzlosigkeit, das<br />

Erleben <strong>der</strong> Ni<strong>ch</strong>t-Zweiheit, den Direktkontakt mit dem Zweitlosen.“ (LUHMANN/FUCHS<br />

1997: 51)<br />

Nur die zielorientierte <strong>Form</strong>ulierung unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> von dem im vorlie¬genden Text<br />

angestrebten Verständnis des Zen.<br />

„Zen setzt voraus, dass jede Beoba<strong>ch</strong>tung, weil sie Differenz benötigt, verfehlen muss, was<br />

Zen meint.“ (LUHMANN/FUCHS 1997: 46)<br />

Das könnte dazu führen anzunehmen, dass die Zen-Haltung unerrei<strong>ch</strong>bar und dass <strong>der</strong><br />

Versu<strong>ch</strong> deshalb fru<strong>ch</strong>tlos ist. Mögli<strong>ch</strong>erweise lohnt aber <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong>, selbst wenn das Ziel<br />

gar ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t werden kann: Der Weg ist das Ziel.<br />

III.<br />

Abs<strong>ch</strong>ließend soll eine Mögli<strong>ch</strong>keit skizziert werden, ganz praktis<strong>ch</strong>e Konsequenzen aus<br />

dem Bes<strong>ch</strong>riebenen zu ziehen. Es soll <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong> unternommen werden, die theoretis<strong>ch</strong><br />

betra<strong>ch</strong>teten Erkenntnisse über den Beoba<strong>ch</strong>ter ganz praktis<strong>ch</strong> erfahrbar zu ma<strong>ch</strong>en, indem<br />

die zen-buddhis¬tis<strong>ch</strong>e Praxis – das Sitzen vor <strong>der</strong> Wand, Zazen genannt – beleu<strong>ch</strong>tet wird.<br />

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