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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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4. Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades<br />

Der Indikationenkalkül hat bislang bis auf seine einfa<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te, gera¬dezu<br />

minimalistis<strong>ch</strong>e Darstellung ni<strong>ch</strong>ts grundsätzli<strong>ch</strong> Neues zu Tage gebra<strong>ch</strong>t, das heißt, bis hier<br />

unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> die Algebren Booles und Spencer Browns inhaltli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Aus <strong>der</strong><br />

Einfa<strong>ch</strong>heit und dem minimalis¬tis<strong>ch</strong>en <strong>Form</strong>alismus resultiert aber gerade die Einsi<strong>ch</strong>t, dass<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen ni<strong>ch</strong>t auf den ersten Grad bes<strong>ch</strong>ränkt sind. Am Ende dieses Kapitels soll daher<br />

auf den Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Booles<strong>ch</strong>er und Browns<strong>ch</strong>er Algebra eingegangen und<br />

herausgearbeitet werden, woher <strong>der</strong> Gewinn <strong>der</strong> Entde¬ckung von Glei<strong>ch</strong>ungen höheren<br />

Grades rührt und was sie für die mathe¬matis<strong>ch</strong>e Theorie leistet.<br />

In den vorangegangenen Abs<strong>ch</strong>nitten wurde <strong>der</strong> Indikationenkalkül bis zu einem Punkt<br />

entwickelt, von dem aus die wi<strong>ch</strong>tigen Eigens<strong>ch</strong>aften Voll¬ständigkeit und Unabhängigkeit<br />

gefunden werden konnten. Nun betreten wir Neuland, indem ein Verfahren entdeckt wird, mit<br />

dem gewisse unend¬li<strong>ch</strong>e Ausdrücke als endli<strong>ch</strong>e dargestellt werden können, so dass ihre<br />

zugehörigen Werte trotz <strong>der</strong> Unendli<strong>ch</strong>keit in einer endli<strong>ch</strong>en Bere<strong>ch</strong>nung gefunden werden<br />

können.<br />

Der Grad einer Glei<strong>ch</strong>ung gibt die Unbestimmtheit des Wertes (markiert o<strong>der</strong> unmarkiert) <strong>der</strong><br />

in ihr vorkommenden Ausdrücke an. Ausdrücke in Glei<strong>ch</strong>ungen ersten Grades sind eindeutig<br />

bestimmt und es werden keine weiteren benötigt, um beispielsweise Logik zu betreiben. Von<br />

daher ist es ni<strong>ch</strong>t verwun<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>, dass es gelingen konnte, eine fundamentale Algebra (wie<br />

zum Beispiel die von George Boole) auf einem logis<strong>ch</strong>en Fundament zu entwickeln. Jedo<strong>ch</strong><br />

handelt man si<strong>ch</strong> damit unüberwindli<strong>ch</strong>e Probleme ein, da man die Mathematik von<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen höheren Grades abs<strong>ch</strong>neidet, wenn man sie mit Logik begründet; denn auf<br />

diese Weise werden (unnöti¬gerweise) logis<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkungen in die Mathematik<br />

importiert.<br />

Um den Zugang zu diesem wesentli<strong>ch</strong>en und s<strong>ch</strong>wer verständli<strong>ch</strong>en Kapitel zu erlei<strong>ch</strong>tern,<br />

wird eine kurze Skizze des Inhaltes vorangestellt: Na<strong>ch</strong> George Spencer Brown erhält man<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades, indem unendli<strong>ch</strong>e algebrais<strong>ch</strong>e Ausdrücke dur<strong>ch</strong><br />

Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit als endli<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>ungen darstellt werden. Dazu muss ein Teilausdruck<br />

auf beiden Seiten <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>ung auf no<strong>ch</strong> zu spezifizierende Art und Weise vor¬kommen.<br />

<strong>Die</strong> so genannten Gedä<strong>ch</strong>tnis- und Oszillatorfunktionen liefern die einfa<strong>ch</strong>sten<br />

selbstbezügli<strong>ch</strong>en Ausdrücke: entwe<strong>der</strong> wird immer <strong>der</strong> glei<strong>ch</strong>e Wert (selbstbestätigend)<br />

angenommen o<strong>der</strong> es findet ein perma¬nenter We<strong>ch</strong>sel des Wertes (selbstwi<strong>der</strong>spre<strong>ch</strong>end)<br />

statt. Auf <strong>der</strong> Ebene von Aussagen entspre<strong>ch</strong>en diese Glei<strong>ch</strong>ungen <strong>der</strong> Tautologie und <strong>der</strong><br />

<strong>Paradoxie</strong>. Nun sind Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades nur dann stets einer Lösung zugängli<strong>ch</strong>,<br />

wenn man einen bisher ni<strong>ch</strong>t benötigten und betra<strong>ch</strong>¬teten Wert gebrau<strong>ch</strong>t. Als Lösung für<br />

Glei<strong>ch</strong>ungen zweiten Grades führt George Spencer Brown den so genannten imaginären<br />

Wert ein, den er bes<strong>ch</strong>reibt als Oszillation zwis<strong>ch</strong>en dem markierten und dem unmarkierten<br />

Zustand. <strong>Die</strong>se Oszillation, die Zeit benötigt, unterwan<strong>der</strong>t die Grenze <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung,<br />

was dur<strong>ch</strong> das Bild des Tunnels dargestellt wird.<br />

Für die mathematis<strong>ch</strong>e <strong>Form</strong>, mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> imaginäre Wert entdeckt wird, prägte George<br />

Spencer Brown den Begriff re-entry (Wie<strong>der</strong>-Eintritt): Eine Unters<strong>ch</strong>eidung wird auf ihrer<br />

bezei<strong>ch</strong>neten Seite in si<strong>ch</strong> selbst wie<strong>der</strong> eingeführt. Sie ist dann einerseits die getroffene,<br />

gerade verwendete Unter¬s<strong>ch</strong>eidung, die Grundlage einer Beoba<strong>ch</strong>tung, aber au<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Gegenstand <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung. In <strong>der</strong> oben erwähnten Terminologie können wir formu¬lieren,<br />

dass die Unters<strong>ch</strong>eidung einerseits getroffen und an<strong>der</strong>erseits vor¬gestellt wird (siehe im<br />

Abs<strong>ch</strong>nitt „Grundlegende Ideen: Unters<strong>ch</strong>eidung und Anzeige“ in I. 1.: S. 36). Niklas<br />

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