Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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<strong>Die</strong> <strong>Paradoxie</strong> „verstößt“ gegen die (in <strong>der</strong> Logik geltenden) Sätze vom ausges<strong>ch</strong>lossenen<br />
Dritten, vom Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> und von <strong>der</strong> Identität. Mit dem Satz vom ausges<strong>ch</strong>lossenen Dritten<br />
wird zum Ausdruck gebra<strong>ch</strong>t, dass es nur die zwei zu Grunde gelegten Werte (in <strong>der</strong> Logik:<br />
wahr und fals<strong>ch</strong>) gibt, so dass jede Aussage entwe<strong>der</strong> dem einen o<strong>der</strong> dem an<strong>der</strong>en<br />
zugeord¬net werden muss. Eine dritte Mögli<strong>ch</strong>keit wäre eben ausges<strong>ch</strong>lossen. Der<br />
Indikationenkalkül basiert ni<strong>ch</strong>t auf diesem Satz, weil sonst Glei<strong>ch</strong>ungen höheren Grades<br />
ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> wären. Der Satz <strong>der</strong> Identität besagt, dass Einheiten identis<strong>ch</strong> gehalten werden<br />
müssen, und <strong>der</strong> Satz vom Wi<strong>der</strong>¬spru<strong>ch</strong>, dass etwas ni<strong>ch</strong>t sein Gegenteil sein kann.<br />
An<strong>der</strong>s formuliert: Etwas ist mit si<strong>ch</strong> selbst identis<strong>ch</strong>, A ist A; etwas ist ni<strong>ch</strong>t identis<strong>ch</strong> mit<br />
seinem Gegenteil, A ist ni<strong>ch</strong>t non-A. Au<strong>ch</strong> diese Sätze gelten nur für Glei<strong>ch</strong>ungen ersten<br />
Grades und bilden eine Bes<strong>ch</strong>ränkung, die eben dort gilt, bilden aber keine im eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Sinne mathematis<strong>ch</strong>e Grenze.<br />
Mit den Laws of <strong>Form</strong> erkennen wir, dass Logik ni<strong>ch</strong>t die zur Algebra gehörende Arithmetik<br />
ist, son<strong>der</strong>n nur eine ihrer Auslegungen. <strong>Die</strong> Arith¬metik, die zur ni<strong>ch</strong>t-numeris<strong>ch</strong>en Algebra<br />
gehört, ist die Primäre o<strong>der</strong> Browns<strong>ch</strong>e Arithmetik. Insofern können wir davon spre<strong>ch</strong>en,<br />
dass George Spencer Brown die Algebra Booles am Anfang um das Fundament erwei¬tert<br />
hat und sie dadur<strong>ch</strong> von logis<strong>ch</strong>en Bes<strong>ch</strong>ränkungen – insbeson<strong>der</strong>e vom Gesetz des<br />
ausges<strong>ch</strong>lossenen Dritten – befreit wurde, so dass Booles Algebra am Ende weiter geführt<br />
werden kann. Das heißt hier vor allem, dass <strong>der</strong> re-entry eine Figur des Wie<strong>der</strong>eins<strong>ch</strong>lusses<br />
des ausges<strong>ch</strong>lossenen Dritten ist.<br />
<strong>Die</strong> Problematisierung dieser drei für die klassis<strong>ch</strong>e Logik fundamen¬talen Gesetze kann<br />
no<strong>ch</strong> vertieft und vereinheitli<strong>ch</strong>t werden zu dem, was Niklas Luhmann als das „Problem <strong>der</strong><br />
Identität“ identifiziert hat (vgl. LUHMANN 1990a: 95). <strong>Die</strong> Logik postuliert einfa<strong>ch</strong> die<br />
Identität, und das ist auf <strong>der</strong> Ebene erster Ordnung au<strong>ch</strong> ohne weitere Bedenken mögli<strong>ch</strong>.<br />
Problematis<strong>ch</strong> wird dann aber, wie man den Identitätsbegriff aufre<strong>ch</strong>t erhalten kann, wenn<br />
eine Unters<strong>ch</strong>eidung in si<strong>ch</strong> selbst eingeführt wird – und dann ja zwar immer no<strong>ch</strong> die<br />
glei<strong>ch</strong>e, aber au<strong>ch</strong> eine an<strong>der</strong>e, eine wie<strong>der</strong> in si<strong>ch</strong> selbst eingeführte Unters<strong>ch</strong>eidung, und<br />
also au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die selbe ist. Für die Soziologie konstatiert Niklas Luhmann aufgrund des<br />
Problems <strong>der</strong> soziologis<strong>ch</strong>en Praxis, die au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst – ihre eigene Tat¬sä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit –<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen können müsse, dass die Prämissen einer zweiwertigen Logik gesprengt<br />
würden (vgl. LUHMANN 1997: 17). Letztli<strong>ch</strong> kann man heute aufgrund von<br />
Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit wissen, dass eine Logik, die ni<strong>ch</strong>t über Zweiwertigkeit und einen<br />
unreflektierten Identitätsbegriff hinausgeht, obsolet ist.<br />
<strong>Die</strong> Einfa<strong>ch</strong>heit und S<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>theit des Indikationenkalküls rührt daher, dass in ihm – im<br />
Gegensatz zu an<strong>der</strong>en bekannten Versu<strong>ch</strong>en, ein geeig¬netes Fundament für Mathematik<br />
zu finden – nur einer Seite einer Unter¬s<strong>ch</strong>eidung ein Name gegeben wird. Im<br />
Indikationenkalkül wird das Problem über Ab- und Anwesenheit des cross gelöst.<br />
Das von George Spencer Brown entworfene System ist hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zweier Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
von allen vorherigen unters<strong>ch</strong>ieden:<br />
„<strong>Die</strong> Anzahl <strong>der</strong> Elemente, auf die operiert wird, ist unbegrenzt und die Reihenfolge ihrer<br />
Darstellung irrelevant.“ (SPENCER BROWN 1997: XV)<br />
Das rührt daher, dass es nur eine Sorte von Konstanten gibt. Bislang waren<br />
<strong>Form</strong>alisierungen nur mit <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on getroffenen Unters<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Operator<br />
(beispielsweise + und • o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Logik Aussageverknüpfungen wie „und“ o<strong>der</strong> „wenndann“)<br />
und Operand (dann z. B. 5 o<strong>der</strong> 6 bzw. Aussagen) mögli<strong>ch</strong>. In den Laws of <strong>Form</strong> gibt<br />
es nur das cross, das als beides fungiert bzw. wel<strong>ch</strong>es wir als eine fundamentalere<br />
<strong>Form</strong>alisierung verstehen können, da es diese o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Unters<strong>ch</strong>eidungen no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
benötigt.<br />
In <strong>der</strong> Entwicklung des Indikationenkalküls führt das zu einer größeren Einfa<strong>ch</strong>heit und<br />
Offenheit. Dadur<strong>ch</strong> wird eine <strong>Form</strong>alisierung von selbst¬bezügli<strong>ch</strong>en Ausdrücken überhaupt<br />
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