Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch
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wir, dass Mathematik grundlegen<strong>der</strong> als Logik ist; dass <strong>Paradoxie</strong>n eine mögli<strong>ch</strong>e <strong>Form</strong><br />
darstellen, die ni<strong>ch</strong>t eliminiert werden muss; dass jede Unters<strong>ch</strong>eidung von einem<br />
Beoba<strong>ch</strong>ter getroffen wird; und dass <strong>Form</strong> und Leere si<strong>ch</strong> gegenseitig bedingen und<br />
produzieren. <strong>Die</strong>s sind einige <strong>der</strong> „Wahrheiten“ dieses Textes. Zumindest kann man diesen<br />
und jenen Text so lesen.<br />
Mit den Laws of <strong>Form</strong> haben wir demna<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> ein Instrument in <strong>der</strong> Hand, Realität<br />
dingfest zu ma<strong>ch</strong>en, das heißt zu wissen, wie und was Realität ist. Wir können „na<strong>ch</strong> all<br />
dem“ aber au<strong>ch</strong> sehen, dass ein Beoba<strong>ch</strong>ten unter dem S<strong>ch</strong>ema wahr/fals<strong>ch</strong> selbst ni<strong>ch</strong>t<br />
wahr (o<strong>der</strong> fals<strong>ch</strong>) ist. In dem vorliegenden Text wird ja gerade au<strong>ch</strong> thematisiert, dass wie<br />
jede Unters<strong>ch</strong>eidung au<strong>ch</strong> die zwis<strong>ch</strong>en wahr und fals<strong>ch</strong> die „Welt verletzt“ und nur eine<br />
mögli<strong>ch</strong>e <strong>Form</strong> <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung (und Verletzung) <strong>der</strong> Welt ist. Es ist also die Integration von<br />
Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit in das Theorie-gebäude, die eine engstirnige Si<strong>ch</strong>t auf die Welt an ihre<br />
Grenzen führt. Viellei<strong>ch</strong>t kann man sagen, dass dieser und jener Text hinter Wahrheit<br />
zurückführen und insofern au<strong>ch</strong> keine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Texte darstellen. Wenn dem so<br />
wäre, dann müsste si<strong>ch</strong> die Wissens<strong>ch</strong>aft zugestehen, dass dies kein Mangel, son<strong>der</strong>n ein<br />
Forts<strong>ch</strong>ritt wäre.<br />
<strong>Die</strong> Polarität zwis<strong>ch</strong>en Wissen und Ni<strong>ch</strong>t-Wissen ist das Dilemma dieser Bes<strong>ch</strong>reibung<br />
einer Si<strong>ch</strong>tweise von Realität, die gerade hervorhebt, dass alles in Bewegung und<br />
Verän<strong>der</strong>ung ist, dass man lieber in <strong>der</strong> Gegenwart sein und mit dem Lauf <strong>der</strong> Dinge gehen<br />
als mit und in vorgefassten Urteilen und Meinungen leben sollte, die stets von<br />
vergangenheits- und zukunftsbedingten Ängsten und Wüns<strong>ch</strong>en rühren. Man kann<br />
aufmerksam und ehrli<strong>ch</strong> mit dem sein, was gerade ist, und si<strong>ch</strong> selbst in dem sehen, was<br />
man sieht. In diesem Sinne sind die Laws of <strong>Form</strong> gerade <strong>der</strong> Weisheit letzter S<strong>ch</strong>luss, den<br />
es ni<strong>ch</strong>t geben kann. Mit ihnen wird ni<strong>ch</strong>ts fest gestellt, son<strong>der</strong>n die Aufmerksamkeit darauf<br />
geri<strong>ch</strong>tet, dass alles, was ist, dur<strong>ch</strong> das Treffen von Unters<strong>ch</strong>eidungen erzeugt wird, und<br />
dass es immer jemand ist, <strong>der</strong> die Unters<strong>ch</strong>eidungen trifft. <strong>Die</strong> hier dargestellte „Si<strong>ch</strong>t auf die<br />
Dinge“ ist eben ni<strong>ch</strong>t „wahrer“ als an<strong>der</strong>e Si<strong>ch</strong>tweisen.<br />
Fragli<strong>ch</strong> ist aus fehlenden Wahrheitsanspru<strong>ch</strong>smotiven die Motivation, auf diese an<strong>der</strong>e<br />
Si<strong>ch</strong>t auf die Welt aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en. Denn sie hat auf einer philosophis<strong>ch</strong>en Ebene<br />
keine Konsequenzen, da sie ni<strong>ch</strong>t in Konkurrenz zu an<strong>der</strong>en Auffassungen treten kann. Sie<br />
leugnet ni<strong>ch</strong>t die Wahrnehmung einer Welt. Der Beoba<strong>ch</strong>ter <strong>der</strong> Beoba<strong>ch</strong>tung erkennt in<br />
dem Wahrgenommenen den Wahrnehmenden. <strong>Die</strong> einzige Angriffsflä<strong>ch</strong>e, die er bietet, ist<br />
seine Ni<strong>ch</strong>t-Angreifbarkeit.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Form</strong>theorie führte uns zu dem Gedanken, dass das, was wir wahrnehmen, uns<br />
Auskunft gibt über die Unters<strong>ch</strong>eidungen, die wir treffen, und ni<strong>ch</strong>t über eine Welt, die<br />
uns gegenübersteht, und deshalb können wir uns selbst in allen Dingen finden.<br />
Vor diesem Hintergrund gewinnt die verbotene Fru<strong>ch</strong>t, die Erkenntnis, eine interessante<br />
Bedeutung: Das Treffen <strong>der</strong> ersten Unters<strong>ch</strong>eidung führt uns aus dem Paradies in diese<br />
Welt, die wir zu erkennen tra<strong>ch</strong>ten. <strong>Die</strong> Laws of <strong>Form</strong> sind deshalb so relevant, weil sie einen<br />
Weg aus dem Erkenntnis¬dilemma weisen, indem sie dur<strong>ch</strong> Selbstreflexion entlarven, dass<br />
<strong>der</strong> Ursprung <strong>der</strong> erkannten Welt <strong>der</strong> leere Zustand ist.<br />
Na<strong>ch</strong>wort<br />
Nun s<strong>ch</strong>reibt also jemand ein Bu<strong>ch</strong>, das unter an<strong>der</strong>em <strong>Form</strong> auf Leere zurückführt, und<br />
kann den Begriff <strong>der</strong> Leere ni<strong>ch</strong>t definieren, ni<strong>ch</strong>t greifbar o<strong>der</strong> begreifbar ma<strong>ch</strong>en. Es bleibt<br />
vage. Und wir verstehen viellei<strong>ch</strong>t, dass das so sein muss, da Leere eben ni<strong>ch</strong>t als<br />
Unters<strong>ch</strong>ied zu etwas an<strong>der</strong>em gefasst werden kann. Je<strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong>, Leere auf<br />
intellektuellem Wege zu be-greifen und zu erfassen, muss daran s<strong>ch</strong>eitern, dass jedes<br />
Begreifen und Er-fassen etwas begreift und etwas erfasst – also: immer im Unters<strong>ch</strong>ied zu<br />
an<strong>der</strong>em, immer als <strong>Form</strong>. <strong>Die</strong> Leere ist aber gerade ni<strong>ch</strong>t: dieses und ni<strong>ch</strong>t jenes.<br />
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