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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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au<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> und an<strong>der</strong>em unter¬s<strong>ch</strong>eidet. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gibt es keinen Beoba<strong>ch</strong>ter, <strong>der</strong><br />

nur bisweilen Unter-s<strong>ch</strong>eidungen trifft und si<strong>ch</strong> nur dann zu ihnen verhält, wenn er will. Da<br />

ein Beoba<strong>ch</strong>ter ni<strong>ch</strong>t existent ist, ohne Unters<strong>ch</strong>eidungen zu treffen, ist ihm <strong>der</strong><br />

unters<strong>ch</strong>iedslose empty space verborgen. Erst dur<strong>ch</strong> den Akt <strong>der</strong> Unter¬s<strong>ch</strong>eidung wird ihm<br />

<strong>der</strong> Raum seiner Unters<strong>ch</strong>eidungen zugängli<strong>ch</strong>, und zwar auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> als unters<strong>ch</strong>iedener<br />

Raum.<br />

Entry und re-entry (Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit in Theorien)<br />

Einer <strong>der</strong> interessantesten formalen Aspekte <strong>der</strong> Laws of <strong>Form</strong> ist, dass in ihnen am Ende ihr<br />

Anfang reflektiert wird. Wenn wir mit irgend etwas beginnen – wie Musik, Psy<strong>ch</strong>ologie,<br />

Philosophie, Naturwissens<strong>ch</strong>aft o<strong>der</strong> eben au<strong>ch</strong> Mathematik –, müssen wir s<strong>ch</strong>on immer<br />

etwas vorausgesetzt haben; sei es, dass wir diese Grundlagen als evident betra<strong>ch</strong>ten, da sie<br />

mit unserer Erfahrung übereinstimmen, sei es, dass sie uns dur<strong>ch</strong> unser Ziel vorgegeben<br />

werden, um <strong>der</strong>art unsere Erfahrung zu stützen. Somit ist je<strong>der</strong> Anfang notwendig von<br />

Motiven, Annahmen und Zielen bestimmt. In <strong>der</strong> Mathematik zeigt si<strong>ch</strong> dieser Umstand sehr<br />

deutli<strong>ch</strong> in den Axiomen und Definitionen, die nötig sind, damit Sätze und Theoreme<br />

entwickelt werden können. Axiome ziehen ihre Bere<strong>ch</strong>tigung und Gültigkeit daraus, dass sie<br />

entwe<strong>der</strong> einleu<strong>ch</strong>tend ers<strong>ch</strong>einen o<strong>der</strong> für bestimmte Sätze, die ihrerseits als evident<br />

betra<strong>ch</strong>tet werden (bzw. aus an<strong>der</strong>en Gründen gelten sollen), notwendig sind. Und beginnen<br />

wir an<strong>der</strong>s, so erhalten wir An<strong>der</strong>es. Abge¬sehen von diesen Motiven ist na<strong>ch</strong> George<br />

Spencer Brown die Annahme von bestimmten Axiomen o<strong>der</strong> Definitionen willkürli<strong>ch</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Laws of <strong>Form</strong> beginnen mit einer Unters<strong>ch</strong>eidung sowohl explizit (eben mit <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>eidung) als au<strong>ch</strong> implizit (mit <strong>der</strong> Unter¬s<strong>ch</strong>eidung zwis<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>eidung und<br />

Anzeige). Deshalb s<strong>ch</strong>ließen sie si<strong>ch</strong> selbst ni<strong>ch</strong>t aus dem Gegenstandsberei<strong>ch</strong> ihrer<br />

Darstellung aus. Na<strong>ch</strong>dem wir die Konstruktion begonnen haben („Triff eine<br />

Unters<strong>ch</strong>ei¬dung!“), erhalten wir mathematis<strong>ch</strong>e Ausdrücke (<strong>Form</strong>en), die si<strong>ch</strong> später au<strong>ch</strong><br />

selbst enthalten, die si<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong> selbst beziehen. Sobald wir Selbst¬bezügli<strong>ch</strong>keit entdeckt<br />

haben, reflektiert George Spencer Brown im 12. Kapitel „Wie<strong>der</strong>eintritt in die <strong>Form</strong>“ den<br />

Eintritt. Dadur<strong>ch</strong> verliert dieser seinen Stellenwert als Voraussetzung – im Sinne von als<br />

wahr erkannte Tatsa<strong>ch</strong>e. Mit den gefundenen <strong>Form</strong>en finden wir au<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> die<br />

Begrün¬detheit des Ausgangspunktes. Das heißt, ni<strong>ch</strong>t nur begründet <strong>der</strong> Anfang das, was<br />

wir erhalten, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong>: <strong>Die</strong> Ergebnisse re<strong>ch</strong>tfertigen den Eintritt.<br />

Aufgrund dessen können wir davon spre<strong>ch</strong>en, dass in den Laws of <strong>Form</strong> <strong>der</strong> Versu<strong>ch</strong><br />

unternommen wird, die Grundlagen des Beoba<strong>ch</strong>tens (au<strong>ch</strong> Denkens) mit eben diesem<br />

Beoba<strong>ch</strong>ten (Denken) zu erkunden: daher <strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong> Selbstbezügli<strong>ch</strong>keit.<br />

Wir erkennen nun, dass die Argumente, die herangezogen wurden, um die Theoreme <strong>der</strong><br />

Laws of <strong>Form</strong> zu beweisen, selbst dur<strong>ch</strong> den Kalkül bewie¬sen werden, von dem sie<br />

abhängen. Nirgends als in <strong>der</strong> ursprüngli<strong>ch</strong>sten Mathematik wird offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er, dass das<br />

(mathematis<strong>ch</strong>e) System aus ni<strong>ch</strong>ts kommt und si<strong>ch</strong> selbst aus seinen eigenen Fußstapfen<br />

produziert: <strong>Die</strong> Laws of <strong>Form</strong> sind <strong>der</strong> Ausgangspunkt für ein System, das die Regeln des<br />

Argumentierens und Beweisens hervorbringt, mit denen die Gültigkeit des Kalküls überprüft<br />

werden kann. Wir produzieren ein System, das seine späteren Abs<strong>ch</strong>nitte wahrma<strong>ch</strong>t, und<br />

gebrau<strong>ch</strong>en diese, um die ersteren Abs<strong>ch</strong>nitte zu überprüfen. Wir sehen also,<br />

„... dass die Argumente, die wir heranzogen, um die kalkulierenden <strong>Form</strong>en zu re<strong>ch</strong>tfertigen<br />

(d. h. in den Beweisen <strong>der</strong> Theoreme), selbst gere<strong>ch</strong>tfertigt werden können, indem man sie<br />

in die <strong>Form</strong> des Kalküls einsetzt.“ (SPENCER BROWN 1969: 88)<br />

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