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Die Form der Paradoxie - Uboeschenstein.ch

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<strong>Die</strong> Teile o<strong>der</strong> Seiten <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung werden au<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> Räume genannt. Ein Raum ist<br />

also dadur<strong>ch</strong> gegeben, dass eine Unters<strong>ch</strong>eidung getroffen wird. Eine Unters<strong>ch</strong>eidung bringt<br />

zunä<strong>ch</strong>st einmal zwei Räume hervor: den angezeigten und den unangezeigten – eben die<br />

beiden Seiten einer Unters<strong>ch</strong>eidung. Zudem wird die Unters<strong>ch</strong>eidung in einem weiteren<br />

Raum getroffen.<br />

Unter Vorgriff auf die Idee einer Markierung, die erst ein paar Sätze später als Markierung<br />

einer Unters<strong>ch</strong>eidung eingeführt wird, kommt George Spencer Brown zu dem Begriff des<br />

Zwecks, <strong>der</strong> für den ersten Kanon, den wir s<strong>ch</strong>on kennen gelernt haben, notwendig ist.<br />

„Lass jegli<strong>ch</strong>e Markierung, jegli<strong>ch</strong>es Token o<strong>der</strong> Zei<strong>ch</strong>en zusammen mit <strong>der</strong>, o<strong>der</strong> in Bezug<br />

auf die Unters<strong>ch</strong>eidung als ein Signal aufgefasst werden. Nenne die Verwendung eines<br />

jegli<strong>ch</strong>en Signals dessen Zweck.“ (SPENCER BROWN 1997: 3)<br />

Jedes Zei<strong>ch</strong>en ist ein Signal, wenn man seine Bedeutung kennt bzw. wenn man ihm<br />

Bedeutung zus<strong>ch</strong>reiben kann. Bu<strong>ch</strong>staben o<strong>der</strong> Wörter sind Beispiele für Signale, <strong>der</strong>en<br />

Verwendung selbstverständli<strong>ch</strong> für uns ist; wir wissen, was gemeint ist. <strong>Die</strong> Verwendung<br />

eines Signals ist <strong>der</strong> Zweck eines Signals. Mit diesem Zei<strong>ch</strong>en bezwecke i<strong>ch</strong> dies, mit einem<br />

an<strong>der</strong>en an<strong>der</strong>es. Und dann lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>reiben, dass in bestimmten Situa¬tionen<br />

die Ni<strong>ch</strong>t-Verwendung eines Zei<strong>ch</strong>ens zweckhaft sein kann.<br />

Der Indikationenkalkül umfasst – wie jede mathematis<strong>ch</strong>e Theorie – au<strong>ch</strong> „Gesetze“, die<br />

außerhalb <strong>der</strong> Bere<strong>ch</strong>nung, also außerhalb eines Kalküls stehen. Dabei handelt es si<strong>ch</strong> um<br />

allgemeine Grundprinzipien, die die Kalkulation selbst regeln. George Spencer Brown nennt<br />

sol<strong>ch</strong>e Gesetze „Kanon“ . Der erste Kanon, die so genannte Vereinbarung über die Absi<strong>ch</strong>t,<br />

ist ein fundamentaler Kanon für jede mathematis<strong>ch</strong>e Darstellung:<br />

„Lass den Zweck eines Signals auf dessen erlaubte Verwendung bes<strong>ch</strong>ränkt sein. (...) Was<br />

ni<strong>ch</strong>t erlaubt ist, ist verboten.“ (SPENCER BROWN 1997: 3)<br />

<strong>Die</strong>ser Kanon wurde oben s<strong>ch</strong>on erwähnt. Im Grunde ist er trivial und selbstverständli<strong>ch</strong> für<br />

eine jede präzise mathematis<strong>ch</strong>e Abhandlung. Ein Signal darf nur für den Zweck gebrau<strong>ch</strong>t<br />

werden, für den es eingeführt und erlaubt wurde. Wir könnten den Kanon au<strong>ch</strong> „Gesetz <strong>der</strong><br />

Präzision“ nennen. Er ist fundamental für jede Mathematik, wennglei<strong>ch</strong> zumeist nur implizit,<br />

indem er unerwähnt verwandt wird. Er ist die Regel, die not¬wendig ist, um zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass vage o<strong>der</strong> abhängig von Meinung wird, wel<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>en- und Beweiss<strong>ch</strong>ritte zulässig<br />

sind. Man wüsste ohne den ersten Kanon ni<strong>ch</strong>t, was mögli<strong>ch</strong>, was erlaubt ist – alles<br />

Mögli<strong>ch</strong>e und Unmögli<strong>ch</strong>e wäre erlaubt. Für uns, die wir den Kalkül erkunden, bedeutet das:<br />

Man darf nur tun, was eingeführt und erlaubt wurde. Solange etwas ni<strong>ch</strong>t erlaubt ist, weil<br />

man es (no<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>tfertigen kann, ist es ver¬boten.<br />

Für die formale Darstellung benötigt <strong>der</strong> Kalkül ein Symbol für das Treffen einer<br />

Unters<strong>ch</strong>eidung. Mit ihm soll angezeigt werden, dass zwei Seiten voneinan<strong>der</strong> getrennt<br />

wurden und dass die eine angezeigt wird. <strong>Die</strong> Markierung, die George Spencer Brown<br />

einführt, ist minimalistis<strong>ch</strong>: ein senkre<strong>ch</strong>ter Stri<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eidet zwei Seiten, also re<strong>ch</strong>ts und<br />

links vom Stri<strong>ch</strong>, ein waagere<strong>ch</strong>ter, oben an dem senkre<strong>ch</strong>ten ans<strong>ch</strong>ließen<strong>der</strong> und na<strong>ch</strong> links<br />

geri<strong>ch</strong>teter Stri<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>net die angezeigte und ni<strong>ch</strong>t die an<strong>der</strong>e Seite.<br />

<strong>Die</strong> Markierung bzw. das cross, das gelegentli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> als „Token“ bezei<strong>ch</strong>net wird, ist eine<br />

abkürzende S<strong>ch</strong>reibweise für einen Kreis. Der senkre<strong>ch</strong>te Stri<strong>ch</strong> trennt die linke von <strong>der</strong><br />

re<strong>ch</strong>ten Seite; in einem ges<strong>ch</strong>rie¬benen Text trennt man damit zum Beispiel Worte o<strong>der</strong><br />

Bu<strong>ch</strong>staben vonein¬an<strong>der</strong>. Der waagere<strong>ch</strong>te Stri<strong>ch</strong> im cross markiert die angezeigte Seite<br />

einer Unters<strong>ch</strong>eidung. <strong>Die</strong> Markierung <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung kennzei<strong>ch</strong>net einen Zustand o<strong>der</strong><br />

Raum, <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> die Unters<strong>ch</strong>eidung unters<strong>ch</strong>ieden wurde. Das heißt, ein cross markiert<br />

einen Raum: den Raum, in dem es steht. Um den Raum zu markieren, wird eine Grenze in<br />

ihm gezogen und eine <strong>der</strong> dadur<strong>ch</strong> bedingten Seiten angezeigt. Das Verhältnis von Raum<br />

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