dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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Natur sich selbst zum Recht zu verhelfen sucht — einer Aktivität, über der gewacht<br />
und die so viel als irgend möglich unterstützt werden muß. Chronische Leiden<br />
betrachtete er ebenfalls mit dem Auge des Hippokrates und beurteilte sie als Folgen<br />
von Gewohnheiten oder Fehlern, für die wir in der Hauptsache selber verantwortlich<br />
sind; er begegnete ihnen durch Vorschriften für angemessene Veränderung der Diät<br />
und Lebensweise. Unter speziellen Beiträgen für die Nosologie diagnostizierte er als<br />
erster das Scharlachfieber und klassifizierte den Veitstanz. Ein anderes Leiden, in<br />
dessen Behandlung er besondere Erkenntnisse gewann, war die Gicht.“<br />
Sydenham lebte im siebzehnten Jahrhundert. Unter allen seinen Zeitgenossen, deren<br />
Namen uns überliefert worden sind, glänzt sein Ruhm weitaus am hellsten.<br />
War dieser Stern unseres Berufsstandes ein Anhänger des Herkömmlichen? Nicht<br />
im mindesten! Fürchtete er selbständiges Denken — oder übte er es furchtlos? Nein<br />
auf die erste, und ein entschiedenes Ja auf die zweite Frage.<br />
Um das, was die damaligen „Autoritäten“ verkündeten — ihre eigenartigen, fast<br />
phantastischen Begriffe von Ursachenforschung und ihre Überschätzung menschlicher<br />
Kunstgriffe in der Behandlung von Krankheiten —, kümmerte er sich nicht; er suchte<br />
sich seinen eigenen Weg durch den Irrgarten verwirrender Ideen und Ansprüche seiner<br />
Zeit und kam in bezug auf Krankheitsverursachung und Heilung zu dem<br />
überraschenden Schluß, daß alle Krankheit selbstverschuldet ist und daß ihre Heilung<br />
nur auf dem Wege des ungehinderten Spieles der wiederherstellenden Naturkräfte<br />
erfolgen kann, die im Körper selber und in seiner natürlichen Umgebung vorhanden<br />
sind.<br />
Die moderne Medizin scheint übrigens auf der Schwelle zu den gleichen<br />
Schlußfolgerungen zu stehen, besonders im Hinblick auf Krankheiten wie<br />
Tuberkulose, Rachitis, Skorbut, Beriberi und Pellagra, obgleich sie es selber noch<br />
nicht erkannt hat.<br />
Für jemanden, der dazu neigt, mit der Ansicht, daß Mikroorganismen die Ursache<br />
unserer Krankheiten sind, in Konflikt zu geraten, ist es ermutigend, daß er sich in so<br />
guter Gesellschaft wie Hippokrates und Sydenham befindet, welche beide die<br />
Krankheit als einen weitgehend von Gewohnheiten verursachten Zustand des Körpers<br />
ansahen und nicht als ein unabhängiges Etwas, das von außen in den Körper ein<strong>dr</strong>ingt.<br />
Ich bin sicher, daß diese Anschauung der Krankheitsverursachung bald<br />
Allgemeingut würde, könnten wir uns vom Einfluß des Herkömmlichen und<br />
Überlieferten befreien.<br />
Die durchschnittliche <strong>med</strong>izinische Auffassung ist nämlich die, daß Krankheit<br />
etwas ist, das man „kriegt“. Und doch hat man nie richtig verstanden, was wir denn<br />
eigentlich dabei „kriegen“ — das heißt, was bei einer Erkrankung im Grunde vor sich<br />
geht. Seit den Tagen, da Kranksein gleichviel bedeutete, wie von einem Teufel<br />
besessen sein, sind wir davon überzeugt, daß wir es kriegen oder daß es uns kriegt.<br />
Und als Pasteur daherkam und die innere Verbindung der Bakterien mit dem<br />
Krankheitsprozeß aufzeigte — wie natürlich schien es da, seine Behauptung zu<br />
unterstützen, daß die Bakterien die Ursache unserer Erkrankungen seien. Wir<br />
erwischen den Keim, und wir bekommen die Krankheit. Man sieht deutlich, wie leicht<br />
dieser Gedanke in unser konventionelles Denken paßt und in den uralten Glauben, daß<br />
Krankheiten durch äußere Ursachen veranlaßt werden.<br />
Die meisten Mediziner sind eben leider ausgesprochene Autoritätsverehrer und<br />
konventionelle Denker und können deshalb schwer einsehen, daß es noch irgendeinen<br />
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