dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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<strong>dr</strong>ei Stufen zu meiner Erdgeschoßwohnung kaum mehr ersteigen konnte. Es schwamm<br />
mir dabei vor den Augen, ich verlor den Atem, hatte Schwindelanfälle und mußte<br />
mich am Türpfosten festhalten, bis ich wieder sah. Man hätte meine Herzschläge auf<br />
vier Schritt Entfernung hören und sozusagen durch die Weste hindurch sehen können.<br />
Düstere Aussichten — um so düsterer, als meine Ärzte zu ihrer trüben Prognose auf<br />
Grund meiner Familiengeschichte vollkommen berechtigt zu sein schienen. Denn mein<br />
Vater hatte elf Geschwister gehabt, die alle an Herzkrankheiten gestorben waren. Er<br />
selbst starb mit <strong>dr</strong>eiundvierzig Jahren, und das war das höchste Alter, das bis dahin in<br />
seiner Familie erreicht worden war. Schon sein eigener Vater war an einer<br />
Herzkrankheit gestorben. Dasselbe Schicksal hat später meinen Bruder und meine<br />
Schwester ereilt. Auch meine Mutter war, wie schon berichtet, herzkrank und während<br />
vierzehn Jahren fast ununterbrochen ans Bett gefesselt. Etwa in der Hälfte dieser<br />
vierzehn Jahre brachte sie mich zur Welt. Ich frage: kann man sich eine belastendere<br />
Familiengeschichte vorstellen? Nein, ich selbst mußte durchaus der Prognose<br />
beistimmen. Ich war nach bestem ärztlichem Wissen und Ermessen verloren.<br />
Aber ich sollte erfahren, daß es sogar für den hoffnungslos Abgelebten noch einen<br />
Weg zu dem schönen Ziele der dauernden Gesundheit gibt, einen Weg, den die Kunst<br />
der Mediziner bisher noch nicht genügend in Betracht gezogen hat. Das ist der Weg<br />
der Natur!<br />
Als ich allen Mut und jede Hoffnung aufgegeben hatte, da ereignete sich. das<br />
Wunder, das mir Rettung bringen sollte. Es ereignete sich auf eine unscheinbare,<br />
unauffällige Weise.<br />
Eines Tages, kaum <strong>dr</strong>ei Wochen nach dem vernichtenden Spruch des großen Sir<br />
William Osler, trat eine junge Mutter mir mit einer unerwarteten Frage in den Weg,<br />
ahnungslos, welche Bedeutung diese Frage für mich gewinnen sollte; sie zwang mich<br />
zum Nachdenken und in der Folge sogar dazu, meine ganzen Ansichten über<br />
Gesundheit und Krankheit von Grund auf zu ändern. Und damit rettete sie mir das<br />
Leben! Ich sah ein, daß der Grundfehler die Verblendung der Menschheit in der<br />
Anlage ihrer Lebensgewohnheiten war. Daraufhin habe ich mich kompromißlos<br />
umgestellt. Allerdings habe ich seither schwerlich noch ein Anrecht darauf, mich<br />
zivilisiert zu nennen, denn ich gestehe gerne ein, daß meine Lebensgewohnheiten<br />
seither nicht mehr die der zivilisierten Menschen sind.<br />
Aber das ist es ja gerade: mein Lebensgefühl ist auch nicht mehr das der<br />
zivilisierten Menschheit. Ich bin nicht mehr krank — ich scheine in der Tat gegen alle<br />
Krankheitsübertragungen immun zu sein. Angst vor Ansteckungen und körperlichen<br />
Leiden kenne ich nicht mehr; denn dieselben Krankheiten, von denen ich vor Jahren<br />
heimgesucht wurde und die täglich Hunderte von Menschen dahinraffen, lassen mich<br />
seit meiner Umstellung vollständig in Ruhe.<br />
Doch mit diesen Feststellungen greife ich dem Gang der Dinge vor. Den Leser wird<br />
zunächst die Frage interessieren, die mir das Leben gerettet hat. An meinem damaligen<br />
Wohnort hatte ich mir einen gewissen Ruf als Kinderarzt erworben. Die oben<br />
erwähnte junge Mutter, schön, munter und keck, erschien eines Tages in meiner<br />
Sprechstunde, begleitet von einer Wärterin, die ein Kindchen trug, sicherlich das<br />
ärmste, abgezehrteste Würmchen, das ich je gesehen hatte.<br />
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