dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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Bestreben ist nicht bloß, das Schlechte nicht zu tun, sondern auch, das Schlechte gar<br />
nicht zu denken. Sehen sie einen andern Böses tun, so suchen sie ihn zu verstehen und<br />
zu decken, und fänden sie auch keine andere Entschuldigung für ihn als die<br />
menschliche Unvollkommenheit. Solche Menschen, die sich von ihrer Seele führen<br />
lassen, nähren keine Feindschaften, hegen keinen Groll und keine Erbitterung, sondern<br />
lassen sich von der allesbegreifenden Barmherzigkeit leiten, die der Sünden Menge<br />
(anderer Leute!) deckt. Einer hat vor vielen Jahrhunderten das Vorbild zu solcher<br />
Gesinnung gegeben, er, der aus seinen Todesqualen am Kreuze noch die Fürbitte zum<br />
Himmel rief: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“<br />
Ich weiß, es gibt Menschen, und ich schätze sie auf etwa neunzig Prozent meiner<br />
Leserschaft, denen das, was ich hier über die geistige und seelische Sauberkeit<br />
schreibe, nichts Persönliches sagt. Es berührt sie nicht in ihrem Innersten. Es ist ihnen<br />
zu wenig real, zu unpraktisch, zu abstrakt. Stehen sie vielleicht auf einer Stufe, von der<br />
aus geistige und seelische Dinge noch gar nicht erkennbar sind?<br />
Dabei nennen sich gerade solche Leute gerne eifrige Christen, Jünger und<br />
Nachfolger Jesu, des Verkünders der Barmherzigkeit. Wie halten sie es allerdings mit<br />
dem Stein, den Jesus den zu werfen auffordert, der ohne Sünde ist?<br />
Dieser Stein eben beweist uns, daß seelische Sauberkeit doch keine so<br />
phantastische, so unreale Forderung ist, wie die meisten Menschen es glauben. Denn<br />
wie könnten wir irgendeinen anderen Übeltäter verdammen, wenn wir wissen, daß<br />
seine Sündhaftigkeit nur in der Qualität von der unsrigen verschieden ist? Etwa<br />
deshalb, weil wir in unseren eigenen Entgleisungen die Beweggründe und die Größe<br />
der Versuchungen kennen und in den seinen nicht? Das wäre wohl keine<br />
Veranlassung, den Stein zu werfen.<br />
Um daraus die praktische Folgerung zu ziehen, wollen wir hier konstatieren, daß es<br />
sich für den gesunden, „sauberen“ Menschen niemals um etwas anderes handeln kann<br />
als um die sogenannte idealistische Lebensauffassung, auch wenn Handlungen anderer<br />
in Frage kommen. Unter keinen Umständen dürfen wir uns das Recht herausnehmen,<br />
unsere eigenen Fehltritte Irrtümer zu nennen und die unserer Brüder oder Schwestern<br />
Sünden oder Verbrechen.<br />
Etwas mitempfindendes Denken sollte uns zeigen, daß wir, wenn wir gerecht sein<br />
wollen, die Geschichte des „Verbrechens“ kennen müssen, ja, daß wir, um sie in allen<br />
ihren Aspekten zu kennen, auch die ganze Lebensgeschichte des „Verbrechers“ oder<br />
„Sünders“ kennen sollten, sogar seine vorgeburtliche Geschichte. Nachdem wir dann<br />
alles erfahren haben, was mit dem in Frage stehenden Falle zusammenhängt, finden<br />
wir höchstwahrscheinlich, überwältigt von Mitgefühl, keine Verdammung mehr<br />
möglich.<br />
Man wird mich fragen, was diese Betrachtungen mit unserem Thema der beständigen<br />
und zuverlässigen Gesundheit zu tun haben. Genug, um uns zu beschäftigen. Die<br />
kritische „Besser-als-du“-Haltung gegenüber unseren Mitmenschen ist stets das<br />
Zeichen einer ungesunden, unsauberen Seele; es ist zwar die Haltung der großen<br />
Mehrheit „gebildeter“ Menschen — aber was will das bedeuten? Sind es doch eben die<br />
Menschen, die sich durch Krankheit und Krankheitsfurcht auszeichnen, und sollte da<br />
keine Beziehung aufgedeckt werden können? Ich glaube, daß sie ohne weiteres<br />
sichtbar ist. Weil ein unsauberer Geist und eine unsaubere Seele gleich zersetzend auf<br />
den Körper wirken wie eine unsaubere Haut oder ein unsauberes Körperinneres, indem<br />
sie als Furcht, Ärger, Haß und verwandte Leidenschaften die sprudelnden Quellen<br />
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