dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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untersuchen, welche Art Leben die Natur von ihm fordert; er bemüht sich bloß zu<br />
ergründen, wie er am liebsten lebt. Dieser Mangel an Achtung vor den natürlichen<br />
oder göttlichen Gesetzen und die Einstellung auf das eigene Selbst werden zu ihrer<br />
Zeit ihren Preis gebieterisch fordern. Krankheit und meistens ein früher Tod — immer<br />
jedenfalls ein weit früherer Tod, als es in der Absicht der Natur lag, wie lange auch der<br />
einzelne Lebensablauf dauern mag — werden der zu zahlende Tribut sein.<br />
Es ist ja gar nicht zu vermeiden, daß die zivilisierten Lebenseinrichtungen<br />
unnatürlich sind, solange die moderne Menschheit an der allgemein verbreiteten<br />
Überzeugung festhält, daß Behaglichkeit, Muße, Fernhalten jeder körperlichen,<br />
geistigen und moralischen Anstrengung, Übersättigung, leckere und verfeinerte<br />
Speisen, kurz, üppige Verweichlichung die wahren Ziele des Lebens sind. Ich stelle<br />
mir vor, daß solche und ähnliche Selbsttäuschungen auf folgende Art entstanden sein<br />
mögen:<br />
Ein Mensch in mittlerem Lebensalter hält sich schon seit Jahren von körperlicher<br />
Betätigung zurück, weil er sich schonen zu müssen glaubt. Eines Tages verlangen<br />
unerwartet eingetretene Umstände von ihm die Anstrengung seiner Kräfte bis an ihre<br />
äußerste Grenze. Er bricht zusammen und stirbt wohl gar in der Folge. Logische<br />
Schlußfolgerung: die Körperanstrengung hat ihn umgebracht. Aber dieser Schluß ist<br />
verkehrt — ganz und gar verkehrt. Er hatte sich so lange geweigert, den Befehl der<br />
Natur auszuführen und seine Muskeln in Übung zu erhalten, bis der Augenblick<br />
gekommen war, in dem er dafür zahlen mußte — und er hat gezahlt.<br />
Wir pflegen zu verallgemeinern, und als Basis für unsere Verallgemeinerungen<br />
dienen uns die täglichen Beobachtungen; aber während wir beobachten, bleiben wir an<br />
der Oberfläche der Dinge und untersuchen sie nicht genügend tief. Weil Menschen<br />
manchmal nach geleisteten Anstrengungen zusammenbrechen, sagen wir, die<br />
Anstrengung habe sie umgeworfen. Wir überlegen nicht, warum diese bestimmte<br />
Anstrengung ihnen verhängnisvoll wurde. Müßten wir es oft erleben, daß<br />
Anstrengungen einen Menschen töten, dann hätten wir einigen Grund zu solchen<br />
Behauptungen. Aber wir wissen doch schließlich auch, daß es eine Ausnahme ist,<br />
wenn Menschen nach einer Anstrengung zusammenbrechen oder gar sterben; daher<br />
sollte unsere richtige Folgerung die sein, daß wir die Schuld an der Katastrophe in<br />
Ereignissen oder Verhältnissen suchen, welche dieser Anstrengung vorausgingen.<br />
Physiologisch lassen sich so <strong>dr</strong>astische Fälle der Überanstrengung durch den<br />
Vergleich mit Gartenschläuchen und Autoreifen verständlich machen.<br />
Die Funktion eines Gartenschlauchs ist, Wasser zu fassen und weiterzuleiten,<br />
während die eines Autoreifens darin besteht, gepreßte Luft zu umschließen und<br />
Gewicht zu tragen. Beide Verwendungszwecke setzen Biegsamkeit und pralle<br />
Elastizität voraus, besonders wenn die Beanspruchung längere Zeit dauert. Und jeder,<br />
der sich in diesen Dingen auskennt, weiß, daß die beste Art — eigentlich die einzige<br />
—, die Geschmeidigkeit des Schlauches und des Reifens zu erhalten, darin besteht,<br />
beide möglichst oft zu benutzen. Je mehr man Wasserschläuche und Autoreifen<br />
benützt, je größere Anforderungen man, ohne zu übertreiben, an sie stellt, desto länger<br />
behalten sie ihre wesentlichen Eigenschaften, die sie befähigen, der Beanspruchung zu<br />
genügen. Legt man sie zur Seite, ohne sie zu benützen, so sind sie nach wenigen<br />
Monaten hart und unbrauchbar geworden.<br />
Das alles gilt auch von unseren Blutgefäßen und dem Herzen. Die Blutgefäße sind<br />
elastische Röhren, deren Wandung aus unwillkürlichen Muskelfasern und elastischen<br />
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