dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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Weil „viel gute, nahrhafte Kost“ eine Notwendigkeit für mich war, beschloß ich,<br />
meine körperliche Betätigung einzuschränken, damit die Energie meines Körpers sich<br />
völlig der Aufnahme und Verarbeitung meiner Nahrung und damit dem Wiederaufbau<br />
meiner Kräfte zuwenden könne. Ich ging nicht mehr spazieren — ich gab meine<br />
Sportspiele auf —, ich verzichtete nahezu auf jede Bewegung und tat nichts mehr als<br />
essen und schlafen.<br />
Natürlich wußte ich, warum ich alle diese Leiden zu ertragen hatte, wie es meine<br />
<strong>med</strong>izinischen Kollegen auch wußten. Ich war eben krank. Aber warum war ich denn<br />
krank? So vorwitzig darf man nicht fragen; die Krankheit kommt über einen, ehe<br />
man's gedacht, und niemand weiß den Grund dafür. Sie packt einen, nicht wahr? Wer<br />
hätte das nicht schon selber erlebt!<br />
Das war meine Philosophie, und es ist noch heute weitgehend die Philosophie<br />
meiner Berufsgenossen. Ich war krank — niemand wußte, weshalb, und ich mußte<br />
mich durch den Genuß guter, reichlicher Nahrung wieder erholen; dabei sollte meine<br />
Natur durch eine Unmenge von Tränken und Mitteln, verdauungsfördernden,<br />
blutreinigenden, anregenden, beruhigenden, abführenden, schmerzstillenden<br />
Medizinen, „unterstützt“ werden. Mehr konnte man wahrhaftig nicht tun.<br />
Aber mein kranker Körper wollte trotz alledem nicht gesund werden. Im Gegenteil, es<br />
wurde nur immer schlimmer. Mein Blut<strong>dr</strong>uck stieg auf 212; mein Herz schlug<br />
chaotisch und wild, und der große Sir William Osler, den ich als ärztliche Autorität zu<br />
Rate zog, hatte bereits sein vernichtendes Urteil über mich ausgesprochen. Jedem<br />
Luftzug konnte ich zum Opfer fallen.<br />
Kein Wunder übrigens, daß ich so krank war, bin ich doch einst — mehr als achtzig<br />
Jahre sind es schon her — von einer herzkranken Mutter weit <strong>dr</strong>außen am Rande der<br />
Zivilisation als schwächliches Zwillingskind geboren worden. Man ernährte mich<br />
mühsam, und ich gedieh unter den primitiven und unhygienischen Lebensverhältnissen<br />
jener Grenzgegend nur kümmerlich. Ich blieb schwach, kränkelte meist und machte<br />
ungefähr alle Kinderkrankheiten der Reihe nach durch. Zwar floß mein Leben bis zu<br />
meinem zweiund<strong>dr</strong>eißigsten Altersjahr noch einigermaßen leidlich dahin. Dann aber<br />
kam es zu einem vollständigen Zusammenbruch. Ich lag gleichzeitig mit fast allen<br />
Krankheiten der Verdauungsorgane außer dem Krebs darnieder, besaß keine Kontrolle<br />
mehr über meine Muskeln und Nerven und hatte die verschiedenartigsten<br />
Halluzinationen. Ich verlor acht Zähne durch hochgradige Paradentose, mußte wegen<br />
einer Fistel operiert werden, und zwar ohne Anästhesie, weil ich dazu körperlich zu<br />
geschwächt gewesen wäre. Ich verblutete beinahe an einem heftig entzündeten<br />
Geschwür im Dickdarm. Furchtbare Kopfschmerzen warfen mich immer wieder für<br />
zwei bis <strong>dr</strong>ei Tage hilflos ins Bett, und das ging jahrelang so weiter. Mit<br />
vierundvierzig Jahren war mein Körper durch Neuritis und Arthritis verkrüppelt. Mit<br />
fünfundvierzig Jahren geriet mein Herz in einen hoffnungslosen Zustand, der keine<br />
Aussicht auf Heilung mehr zuließ. Und dennoch mußte ich weiterleben.<br />
Mit neunundvierzig Jahren litt ich am Grünen Star, und man sagte mir voraus, ich<br />
würde in längstens vier Jahren gänzlich erblinden. Mit dem linken Auge konnte ich<br />
nicht mehr die Finger zählen. Ich verlor auch den Geruchsinn, den Geschmacksinn und<br />
das Gehör im linken Ohr. Für den Grünen Star war eine Operation nach Ansicht eines<br />
Spezialisten die einzig richtige Behandlung, aber meine Schwäche ließ keine<br />
Operation zu.<br />
Um diese Zeit war meine schwere Herzkrankheit so weit vorgeschritten, daß ich die<br />
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