dr. med. robert g. jackson - Sapientia
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Platzen gefüllt vom Frühstückstisch aufstand. Aber schon lange vor dem Mittagessen<br />
hatte ich wieder das Gefühl eines leeren Magens. Darum mußte die Mittagsmahlzeit<br />
gleichfalls reichlich sein. Ich nahm Kartoffelbrei und Koteletten oder Beefsteak, dazu<br />
zartes, weißes Brot und Marmelade oder Pastete und Milch oder Kaffee. Abends kam<br />
dann die Hauptmahlzeit, das eigentliche Essen: Suppe, Braten, Kartoffeln, Brot,<br />
manchmal gekochtes Gemüse, dazu Pudding oder Pastete oder auch beides<br />
miteinander; und wieder Milch oder Kaffee.<br />
Ist es zu glauben? Trotz diesen „nahrhaften“ Mahlzeiten fühlte ich mich doch<br />
allemal bald wieder schwach und leer, bis ich neuerdings etwas zu essen bekam. Und<br />
je „nahrhafter“ die Mahlzeiten waren, desto stärker war dieses Hungergefühl.<br />
Aber was sollte ich denn tun? Ich konnte bei den Mahlzeiten unmöglich mehr essen,<br />
und es gab auch keine noch nahrhafteren Speisen. Nur häufiger essen konnte ich, so<br />
oft dieses Hungergefühl sich meldete. Und das tat ich auch. Ich aß vier- und fünfmal<br />
des Tags. Trotzdem spürte ich am frühen Morgen dieselbe innere Schwäche. Und<br />
damit schien es immer schlimmer zu werden, je reichlicher ich aß. Oft war ich von<br />
dieser Beobachtung völlig niederge<strong>dr</strong>ückt, denn ich brachte diese Kraftlosigkeit immer<br />
mit Mangel an Nahrung in Zusammenhang. Es war lächerlich.<br />
Eine andere Erscheinung erstaunte mich außerordentlich: das allmähliche Auftreten<br />
regelmäßiger Kopfschmerzen. Später, als in meinem Symptomkomplex auch<br />
Verdauungsschwierigkeiten eine Rolle zu spielen begannen, hätte ich mir diese<br />
Kopfschmerzen wohl erklären können. Aber in jenen Tagen, als ich die<br />
Anfangsgründe der Theorie des „guten, nahrhaften“ Essens studierte, schien meine<br />
Verdauung normal zu funktionieren — ich sage aus<strong>dr</strong>ücklich: schien.<br />
Nichtsdestoweniger mußte ich am Ende jeder Woche ein Abführmittel nehmen,<br />
später zweimal die Woche, um die Kopfschmerzen zu beseitigen. Es gab Zeiten, wo<br />
auch solche Mittel die Kopfschmerzen nicht zu unter<strong>dr</strong>ücken vermochten. Dann nahm<br />
ich meine Zuflucht zu Kohle-Teer-Derivaten, meistens Azetanilid. Aber da Azetanilid<br />
das Herz angreift und mein Herz nicht stark war, fügte ich als Anregung für das Herz<br />
Koffein hinzu.<br />
Tatsache war und blieb, daß ich zwar beständig große Mengen guten, nahrhaften<br />
Essens verzehrte, daß es aber offensichtlich mit mir abwärts ging. Meine<br />
Verdauungsorgane wurden widerspenstig und wollten ihre Arbeit trotz der<br />
kräftigenden Kost, die ich in sie hineinschüttete, nicht mehr verrichten. Indem ich dem<br />
konventionellen Glauben an „gute, nahrhafte Kost“ huldigte, brachte ich mich an den<br />
Rand des Grabes.<br />
Ich hätte schon damals erkennen können, daß irgend etwas an meiner Auffassung<br />
dieses Problems nicht stimmte, denn sicherlich hätte gute, reichliche Kost das<br />
Schwächegefühl in mir besiegen müssen, wenn dessen Ursache mangelnde Ernährung<br />
war. Die Mehrnahrung schien aber gerade die gegenteilige Wirkung hervorzurufen.<br />
Statt auf Grund dieser Erfahrung die Stichhaltigkeit meiner Ernährungstheorien in<br />
Zweifel zu ziehen und der Stimme des gesunden Menschenverstandes Gehör zu<br />
schenken, beharrte ich, ohne mich um Näheres zu bekümmern, bei den<br />
konventionellen Ernährungsansichten der Vergangenheit, genau wie die übrigen<br />
neunundneunzig Prozent zivilisierter Nichtwisser, die nach dem Sprichwort „sich ihre<br />
frühen Gräber selber mit den Zähnen schaufeln“. Zudem richtete ich meine übrigen<br />
Lebensgewohnheiten in Übereinstimmung mit meinen verkehrten Ernährungsideen<br />
ein.<br />
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