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Erinnerungen an Kindheit, Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen

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Lebenserinnerungen H<strong>an</strong>s-Siegfried Marks, Albrecht Dürer Str. 18, 06217 Merseburg, Tel. 03461-212739<br />

nehmigung von der Schule bekommen, da hätte ich ja gar keine Einnahmen. Das kl<strong>an</strong>g überzeugend.<br />

Zu erwähnen wäre noch, dass wir Kinder von den Eltern kein Taschengeld bekamen. In Ausnahmen<br />

konnten wir einige Pfennige erbetteln. Ich stibitzte gelegentlich mal 10 oder 20 Pfennige <strong>aus</strong><br />

einer Tasse im Küchenschr<strong>an</strong>k, das fiel nie auf. Das Kleingeld in der Tasse war so eine Art Reserve<br />

für einen schnellen Zugriff für Mutter. Und so gehörte das Zeitungs<strong>aus</strong>tragen zu meinem täglichen<br />

Tagesablauf, obwohl ich auch stets Zeitnot hatte.<br />

Eines Tages kam Helmut mit der erfreulichen Botschaft, dass ein Bek<strong>an</strong>nter die „Preußische Zeitung“<br />

abgeben wollte <strong>und</strong> jem<strong>an</strong>d für die Übernahme suche. Damit verb<strong>und</strong>en war ein höheres<br />

Honorar. Es gab 30 Pfennig je Zeitung <strong>und</strong> Monat. Diese Zeitung war überregional, kam <strong>aus</strong> Königsberg<br />

<strong>und</strong> wurde vorwiegend von Beamten <strong>und</strong> Besserverdienenden abonniert. Bei weniger<br />

Zeitungen konnte m<strong>an</strong> mehr verdienen, meinte mein cleverer Bruder. Allerdings blieb es dabei, ich<br />

trug die Zeitungen <strong>aus</strong>, er bekam das Honorar, ich das Trinkgeld. Das Argument, ich würde altersbedingt<br />

ohnehin keine Genehmigung von der Schule bekommen, galt immer noch. Es gab auch<br />

einen positiven Aspekt, ich konnte die Zeitungen gleich beim Heimweg von der Schule in einem<br />

<strong>an</strong>liegenden H<strong>aus</strong> abholen. Aber irgendw<strong>an</strong>n wurde das G<strong>an</strong>ze von mir beendet. Ich fühlte mich in<br />

meiner Freizeit zu sehr beschnitten.<br />

Helmut war tierlieb, besser gesagt, er hatte die Fähigkeiten auf Tiere so Einfluss zu nehmen, dass<br />

sie sich sofort unterordneten <strong>und</strong> er immer in der „R<strong>an</strong>gliste“ obenauf war. Er war so eine Art<br />

„Tierflüsterer“, <strong>und</strong> das nutzte er zur Genüge <strong>aus</strong>. So brachte er oft H<strong>und</strong>e mit nach H<strong>aus</strong>e, die einen<br />

festen Besitzer hatten <strong>und</strong> wir diese Besitzer auch k<strong>an</strong>nten. Die Tiere folgten ihm einfach, ohne<br />

besondere Köder. Allerdings waren das immer nur kurzzeitige Episoden, denn es gab sofort<br />

den Protest der Eltern <strong>und</strong> er musste die Tiere umgehend laufen lassen.<br />

Eines Tages kam ein Zugeständnis unseres Vaters. In Sichtweite <strong>und</strong> in <strong>an</strong>gemessener Dist<strong>an</strong>z zu<br />

den Menschen streunte immer ein großer H<strong>und</strong> durch die Felder. Wir meinten, es wäre ein Wolfsh<strong>und</strong>,<br />

das war die übliche Bezeichnung für einen Schäferh<strong>und</strong>. Vater sagte: „Wenn du diesen<br />

fängst, den k<strong>an</strong>nst du mit nach H<strong>aus</strong>e bringen!“ Er hatte leider Helmuts Fähigkeiten als H<strong>und</strong>eflüsterer<br />

unterschätzt.<br />

Der H<strong>und</strong> hatte in einem nicht mehr gepflegten Garten, so eine Art kleiner Park, in einem großen<br />

Komposthaufen seine Höhle. Zu dieser Zeit war auch noch ein Wurf Welpen dabei, die so ca. 6<br />

Wochen alt waren. Es dauerte nicht l<strong>an</strong>ge, da st<strong>an</strong>d Helmut mit der Hündin in der Wohnung, das<br />

Tier ängstlich, unterwürfig <strong>und</strong> scheu. Die Welpen wurden selbstverständlich auch vereinnahmt<br />

<strong>und</strong> in der Nachbarschaft unter <strong>an</strong>deren Jungs verteilt. Er selbst hatte für sich auch schon einen<br />

<strong>aus</strong>gesucht. Unter unseren Wohnbedingungen konnte Vater sein Versprechen nicht einhalten, der<br />

H<strong>und</strong> musste wieder weg. D<strong>an</strong>ach war Vater vorsichtiger mit Zugeständnissen.<br />

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