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Erinnerungen an Kindheit, Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen

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Lebenserinnerungen H<strong>an</strong>s-Siegfried Marks, Albrecht Dürer Str. 18, 06217 Merseburg, Tel. 03461-212739<br />

1959, ein Jahr nach Beginn meiner Ausbildertätigkeit legte ich die Prüfung als Lehrmeister ab. Vor<strong>aus</strong>geg<strong>an</strong>gen<br />

war ein halbjähriges Direktstudium am Lehrmeisterinstitut in Magdeburg <strong>und</strong> der<br />

vorh<strong>an</strong>dene Meisterabschluss. 1964 wurde ich als Lehrobermeister eingesetzt <strong>und</strong> 1968 wurde mir<br />

die Abteilung Technik als Abteilungsleiter übertragen. Hier war ich für die Ausbildung von reichlich<br />

1000 Lehrlingen in mehr als 20 Ausbildungsberufen ver<strong>an</strong>twortlich. Hinzu kamen mehr als 70 pädagogische<br />

Mitarbeiter. Die Ausbildung in unserer Bildungseinrichtung hatte ein hohes Niveau <strong>und</strong><br />

f<strong>an</strong>d auch überbetrieblich große Anerkennung. Das wurde durch wiederholte Inspektionen bestätigt.<br />

Da das Chemiekombinat Buna in verschiedenen Ausbildungsberufen auf DDR-Ebene für<br />

Lehrpl<strong>an</strong>gestaltung, Bildungsinhalte, Lehr- <strong>und</strong> Lernmittel ver<strong>an</strong>twortlich war, ergaben sich unterschiedliche<br />

zusätzliche Aufgaben für einen Teil meiner Mitarbeiter. Ebenfalls entst<strong>an</strong>den dadurch<br />

Kooperationen mit den Bildungseinrichtungen <strong>an</strong>derer Betriebe.<br />

Anf<strong>an</strong>g 1960 beg<strong>an</strong>n ich ein Ingenieur-Fernstudium <strong>an</strong> der Ingenieurschule Leipzig in der Fachrichtung<br />

„Technologie des Maschinenb<strong>aus</strong>“. Das Studium endete erfolgreich im Spätherbst 1964.<br />

Diese Jahre waren sehr belastend, da ich mir den gesamten Stoff mittels sogen<strong>an</strong>nter Lehrbriefe<br />

selbst <strong>an</strong>eignen musste. Es gab zwar im Studienjahr zwischen 32 <strong>und</strong> 36 bezahlte Studientage,<br />

aber die dienten nur der Konsultation <strong>und</strong> dem Schreiben der Prüfungsarbeiten. Generell muss<br />

m<strong>an</strong> <strong>an</strong>erkennend sagen, dass das gesamte Studium für die Teilnehmer kostenfrei war. Die Lehrbriefe<br />

<strong>und</strong> <strong>an</strong>dere Literatur erhielten wir unentgeltlich, Fahrkosten zu Konsultationen <strong>und</strong> Praktika<br />

<strong>und</strong> die Studiengebühren trugen die Betriebe <strong>und</strong> bei vorbildlichen Leistungen gab es noch Anerkennungsprämien.<br />

Für die Anfertigung der Ingenieurabschlussarbeit wurden wir freigestellt. Meine<br />

Ingenieurabschlussarbeit war die Konstruktion einer Zellenradschleuse für die Kalksinter<strong>an</strong>lage der<br />

Karbidfabrik. Karbid bzw. das dar<strong>aus</strong> gewonnene Acetylen war ein primäres Ausg<strong>an</strong>gsprodukt für<br />

die Produktion von synthetischem Kautschuk. Der Name „Buna“ stützt sich auch auf die beiden<br />

Hauptkomponenten des synthetischen Kautschuks: Butadien <strong>und</strong> Natrium. Das Bunawerk wurde<br />

zur militärischen Aufrüstung Deutschl<strong>an</strong>ds in Vorbereitung des zweiten Weltkriegs gebaut. Kautschuk<br />

als Naturprodukt sollte durch ein chemisches Verfahren substituiert werden <strong>und</strong> der synthetische<br />

Kautschuk sollte Deutschl<strong>an</strong>d von Importen im Wesentlichen unabhängig machen.<br />

Eine persönliche Einschätzung zur Berufsbildung in der DDR. Ich vertrete folgenden volkswirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>satz: „Das Wirtschaftswachstum einer Industrienation stützt sich etwa zu einem<br />

Drittel auf das jeweilige Bildungssystem.“ Wenn m<strong>an</strong> heute das Dilemma der ständigen Ausein<strong>an</strong>dersetzungen<br />

um Veränderungen in unserem Bildungssystem verfolgt, wird deutlich, dass die Länderhoheit<br />

in Bildungsfragen nicht dazu beiträgt, das historisch überlebte Bildungssystem in<br />

Deutschl<strong>an</strong>d reformieren zu können. Und so galt seinerzeit für die Lehrkräfte der praktischen Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

die Qualifikation Ingenieurpädagoge, natürlich differenziert nach jeweiliger Fachrichtung.<br />

M<strong>an</strong> konnte den Abschluss über ein Direktstudium, aber auch über ein Fernstudium erwerben.<br />

Hinzu kam eine periodische Weiterbildung, zentral org<strong>an</strong>isiert. Ich erwarb diesen Abschluss<br />

1965. Da die Berufs<strong>aus</strong>bildung insgesamt einen hohen Stellenwert besaß, gab es innerhalb<br />

der Fachministerien der DDR sogen<strong>an</strong>nte Zentralstellen für Berufsbildung, die u. a. auch ehrenamtliche<br />

Inspektionsgruppen einsetzten. Seit den 60er Jahren gehörte ich einer solchen Inspektionsgruppe<br />

<strong>an</strong>. Wir kontrollierten jährlich in etwa vier Chemiebetrieben die Durchsetzung der<br />

Lehrpläne bzw. die materielle Sicherstellung durch die Betriebe. Durch die jahrel<strong>an</strong>ge Tätigkeit habe<br />

ich fast alle Chemiebetriebe <strong>und</strong> deren Produktionen kennen gelernt. Unsere Wertungen hatten<br />

„Ministerkraft“. Für mich war das eine enorm wertvolle Weiterbildung. Diese Tätigkeit endete mit<br />

der Wende 1989. Ich habe das ein wenig bedauert.<br />

Mein Einsatz als Abteilungsleiter endete 1985. Wir bekamen einen neuen Direktor der Bildungseinrichtung.<br />

Er war sogar ein früherer Lehrling von mir, der sich mit deutlichen Willensqualitäten hoch<br />

entwickelt hatte. Er besaß klare Vorstellungen für erforderliche Veränderungen, auch wenn er<br />

m<strong>an</strong>chmal etwas eigenwillig war. Gleich nach seinem Amts<strong>an</strong>tritt fragte er mich, ob ich sein persönlicher<br />

Mitarbeiter werden möchte, offizielle Bezeichnung: wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ich<br />

stimmte zu. Ich f<strong>an</strong>d es sinnvoll, einem Nachfolger eine intakte Abteilung zu übergeben <strong>und</strong> beruhigt<br />

abzutreten. Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter war für mich stressfrei <strong>und</strong> ich<br />

konnte meine jahrel<strong>an</strong>gen Erfahrungen <strong>und</strong> innerbetrieblichen Kontakte, auch die zu <strong>an</strong>deren Bildungseinrichtungen,<br />

nutzen <strong>und</strong> f<strong>an</strong>d immer Lösungen für neue Zielstellungen der mir übertragenen<br />

Aufgaben. Ich konnte in dieser Tätigkeit selbstständig arbeiten. Die Zusammenarbeit mit mei-<br />

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