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Erinnerungen an Kindheit, Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen

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Meine weitere Entwicklung<br />

Erst 1951 bekamen wir in Bad Lauchstädt eine größere Wohnung im sogen<strong>an</strong>nten Schloss von<br />

Kleinlauchstädt. Es war vor vielen Jahren ein Herrenh<strong>aus</strong> der Gutsbesitzer Zimmerm<strong>an</strong>. Kaum ein<br />

<strong>an</strong>deres Gebäude hat so oft die Funktion gewechselt wie dieses. Speicher, Wehrertüchtigungslager<br />

im Dritten Reich <strong>und</strong> Wohnh<strong>aus</strong>. M<strong>an</strong> sprach auch vom Altersheim, vermutlich weil viele ältere<br />

frühere Gutsarbeiter darin wohnten. Jetzt war es tatsächlich nur Wohnh<strong>aus</strong> für alle. Dass wir die<br />

Wohnung zu diesem Zeitpunkt bekamen, kam so: Wir hatten wieder einmal eine Wahl. In der DDR<br />

verst<strong>an</strong>d m<strong>an</strong> unter Wahlrecht im Prinzip Wahlpflicht. Mutter ging nicht hin, <strong>aus</strong> Protest, weil m<strong>an</strong><br />

uns zwar eine größere Wohnung versprach, aber nie eine für uns hatte. Ein Wahlhelfer besuchte<br />

am späten Nachmittag des Wahltages Mutter <strong>und</strong> bat sie, doch noch wählen zu gehen. Mutter<br />

n<strong>an</strong>nte die Beweggründe, der Besucher, er war wohl auch Vorsitzender der Volkssolidarität, erk<strong>an</strong>nte<br />

die Notwendigkeit für eine größere Wohnung. Seinem Einfluss war es d<strong>an</strong>n zu verd<strong>an</strong>ken,<br />

dass wir in <strong>an</strong>gemessener Zeit diese größere Wohnung bekamen. Werner hatte d<strong>an</strong>n endlich ein<br />

eigenes Bett.<br />

Nun hatten wir eine größere Wohnung aber keine Möbel! In Halle gab es damals bereits einen An-<br />

<strong>und</strong> Verkauf von Möbeln. M<strong>an</strong> nutzte dafür einen Garagenkomplex. Autos gab es ohnehin nicht.<br />

Ich kaufte alles für die Küche <strong>und</strong> die <strong>an</strong>deren Zimmer. Allerdings musste ich einiges verändern<br />

<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich mit neuer Farbe versehen. Das Schlafzimmer erwarb ich neu. Es kostete genau<br />

1000 Mark. Das war damals sehr viel Geld, trotzdem hatten die Betten weder Federböden noch<br />

Matratzen. Vorerst mussten Bretter <strong>und</strong> Strohsack genügen. Der Umzug war wenig aufwendig. Die<br />

neue Wohnung war nur reichlich 100 Meter entfernt <strong>und</strong> m<strong>an</strong> konnte alles hintragen. Es war ja<br />

auch nicht viel.<br />

Ich zog bei meiner Heirat 1957 dort <strong>aus</strong>, Werner verließ nach Abschluss seines Studiums auch<br />

Bad Lauchstädt. Mutter lebte bis 1986, zuletzt als einzige Bewohnerin, in diesem H<strong>aus</strong>. Es war so<br />

verfallen, dass es überall hineinregnete, <strong>an</strong>fing einzufallen <strong>und</strong> nach wenigen Tagen Frost waren<br />

Wasserleitungen <strong>und</strong> Toilette eingefroren. Es war wieder einmal meine Aufgabe, eine zumutbare<br />

Wohnung zu beschaffen. Bis dahin wurden alle Wohnungen noch von der Stadt verfügt <strong>und</strong> nur<br />

über „Eingaben“ bei höheren Dienststellen konnte m<strong>an</strong> etwas erreichen. Am wirksamsten waren<br />

immer Eingaben bei der Bezirksleitung der Partei. Da reagierten die Behörden <strong>und</strong> f<strong>an</strong>den auch<br />

Lösungen. Sie machten verbindliche Vorgaben <strong>und</strong> kontrollierten die Umsetzung. Eigentlich eine<br />

gute Sache.<br />

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