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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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146 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

die von den Führern zahlreicher antikolonialer und antiimperialistischer<br />

Kämpfe - von Gandhi und Ho Chi Minh bis zu Nelson Mandela - selbstsicher<br />

verkündet wurde, als in Wahrheit perverser Trick. Sie diente dazu, das<br />

Volk zu mobilisieren und eine soziale Bewegung in Gang zu setzen, doch<br />

wohin führte diese Bewegung und welchen Interessen diente sie? In vielen<br />

Fällen handelt es sich dabei auch um einen Stellvertreterkampf, in dessen<br />

Gefolge das Modernisierungsprojekt der <strong>neue</strong>n herrschenden Gruppe, die<br />

für dessen Ausführung verantwortlich ist, zur Macht verhilft. <strong>Die</strong> Revolution<br />

ist somit hilflos der <strong>neue</strong>n Bourgeoisie ausgeliefert. Man könnte sagen,<br />

es handelt sich um eine Februarrevolution, der noch eine Oktoberrevolution<br />

folgen sollte. Doch der Kalender ist durcheinander geraten: Der Oktober<br />

wird niemals kommen, die Revolutionäre bleiben im »Realismus« stecken<br />

und die Modernisierung endet irgendwo ganz unten in den Hierarchien des<br />

Weltmarktes. Aber ist nicht die vom Weltmarkt ausgeübte Kontrolle das<br />

genaue Gegenteil des nationalistischen Traums einer eigenständigen, autozentrierten<br />

Entwicklung? Der Nationalismus der antikolonialen und antiimperialistischen<br />

Kämpfe funktioniert tatsächlich genau gegenteilig und die<br />

befreiten Länder finden sich nunmehr der internationalen Wirtschaftsordnung<br />

unterworfen.<br />

Schon der Begriff einer befreienden nationalen Souveränität ist ambivalent,<br />

wenn nicht gar ein völliger Widerspruch in sich. Während dieser Nationalismus<br />

die Menge von fremder Herrschaft zu befreien sucht, errichtet<br />

er im Innern Herrschafts Strukturen, die ebenso unbarmherzig sind. <strong>Die</strong><br />

Stellung des gerade erst souverän gewordenen Nationalstaats lässt sich<br />

nicht verstehen, wenn man sie im rosigen Lichte der UN-Vision von einem<br />

harmonischen Konzert gleicher und eigenständiger nationaler Subjekte betrachtet.<br />

Der postkoloniale Nationalstaat bildet ein wichtiges und untergeordnetes<br />

Element in der globalen Organisation des kapitalististischen<br />

Marktes. Parma Chatterjee behauptet, nationale Befreiung und nationale<br />

Souveränität seien dieser globalen kapitalistischen Hierarchie gegenüber<br />

nicht nur machtlos, sondern leisteten selbst einen Beitrag zu deren Organisation<br />

und Funktionieren: »Nirgends auf der Welt hat der Nationalismus<br />

qua Nationalismus die Legitimität der Ehe zwischen Vernunft und Kapital<br />

in Frage gestellt. Das nationalistische Denken (...) verfügt gar nicht über die<br />

ideologischen Mittel dazu. Den Konflikt zwischen dem metropolitanen Kapital<br />

und der Volksnation löst es dadurch, dass es das politische Leben der<br />

Nation im Staatskörper absorbiert. Als Hüter der passiven Revolution geht<br />

der Nationalstaat nun daran, für >die Nation< einen Platz in der globalen

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