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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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AI TERNATIVEN INNERHALB DES EMPIRE 63<br />

Konsens verschiedener nationaler Identitäten verstehen, der deren Unterschiede<br />

bewahrt und zugleich eine begrenzte Übereinkunft herstellt. Proletarischer<br />

Internationalismus dagegen war antinationalistisch, supranational<br />

und global. »Proletarier der Welt, vereinigt Euch!« Nicht auf der Basis nationaler<br />

Identitäten, sondern direkt aufgrund gemeinsamer Bedürfnisse und<br />

Wünsche, ohne Rücksicht auf Grenzen und Schranken.<br />

Internationalismus entsprach dem Willen eines aktiven Massensubjekts<br />

und der Erkenntnis, dass den Nationalstaaten eine Schlüsselrolle in der kapitalistischen<br />

Ausbeutung zukam, dass Nationalstaaten die Menge ins Militär<br />

steckten, um sinnlose Kriege zu führen - kurz gesagt, dass der Nationalstaat<br />

eine politische Form darstellt, deren Widersprüche nicht subsumierbar<br />

und nicht aufhebbar sind, sondern die zerstört werden muss. <strong>Die</strong><br />

internationale Solidarität sollte den Nationalstaat zerstören und eine <strong>neue</strong><br />

weltweite Gemeinschaft aufbauen. <strong>Die</strong>ses proletarische Programm stand<br />

hinter den oft unklaren und widersprüchlichen taktischen Definitionen, die<br />

sozialistische und kommunistische Parteien im Verlauf des Jahrhunderts<br />

ihrer Hegemonie über das Proletariat hervorbrachten. 43 War der Nationalstaat<br />

das wichtigste Glied in der Herrschaftskette und musste deshalb zerstört<br />

werden, so hatte das nationale Proletariat die vordringliche Aufgabe,<br />

sich selbst, als durch die Nation definiertes, zu zerstören und damit die internationale<br />

Solidarität aus dem Gefängnis zu holen, in dem sie eingeschlossen<br />

saß. Internationale Solidarität hatte nicht als Akt der Barmherzigkeit<br />

oder als Altruismus zum Wohle anderer zu gelten, als ein großherziges<br />

Opfer zugunsten einer anderen nationalen Arbeiterklasse, sondern sie gehörte<br />

vielmehr untrennbar zum Streben und zum Kampf um Befreiung jedes<br />

nationalen Proletariats. Proletarischer Internationalismus ließ eine paradoxe<br />

und mächtige politische Maschine entstehen, die ihn beständig über<br />

die Schranken und Hierarchien des Nationalstaats hinaustrieb; die Frage der<br />

utopischen Zukunft stellte sich ausschließlich im globalen Maßstab.<br />

Heute muss man klar sehen, dass die Zeiten eines solchen proletarischen<br />

Internationalismus vorbei sind. Das leugnet nun nicht die Tatsache, dass internationalistische<br />

Vorstellungen unter den Massen lebendig waren und eine<br />

Art geologische Ablagerung hinterließen, die Erinnerung an Leiden und<br />

Streben, an Siege und Niederlagen, Überbleibsel ideologischen Wartens<br />

und Wollens. Doch das Proletariat ist heute nicht mehr bloß international,<br />

sondern (zumindest der Tendenz nach) global. Man möchte fast sagen, dass<br />

der proletarische Internationalismus »gewonnen« hat, im Licht des Machtverlusts<br />

der Nationalstaaten betrachtet, der den Übergang zur Globalisie-

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