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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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BIOPOLITISCHE PRODUKTION 53<br />

Hoheitsrechte<br />

Was man traditionell die Prärogative der Souveränität nannte, scheint sich<br />

in der Entwicklung des <strong>Empire</strong> zu wiederholen und sogar erheblich zu erweitern.<br />

Blieben wir im Rahmen der klassischen Theorie des Staats und des<br />

internationalen Rechts, wären wir versucht, von der Bildung eines supranationalen<br />

Quasi-Staats zu sprechen. Doch scheint uns das die Situation nicht<br />

angemessen zu charakterisieren. Wenn die herrschaftlichen Prärogative der<br />

modernen Souveränität im <strong>Empire</strong> wieder auftauchen, so nehmen sie eine<br />

vollständig andere Form an. Beispielsweise stand der Einsatz militärischer<br />

Gewalt den neuzeitlichen Nationalstaaten ebenso zu wie jetzt dem <strong>Empire</strong>;<br />

doch haben wir bereits gesehen, dass heute ein permanenter Ausnahmezustand<br />

die Rechtfertigung für solche Einsätze liefert und die Einsätze selbst<br />

die Gestalt von Polizeimaßnahmen annehmen. Auch andere Hoheitsrechte<br />

wie die Prärogative, Recht zu sprechen oder Steuern zu erheben, führen die<br />

gleiche Art »Randexistenz«. <strong>Die</strong> Autorität der Gerichtsbarkeit im Konstitutionsprozess<br />

des <strong>Empire</strong> hat, darauf haben wir bereits hingewiesen, eine<br />

Randstellung; und auch die Steuererhebung ist in diesem Sinn »marginal«,<br />

da sie zunehmend an besondere Erfordernisse oder lokale Notwendigkeiten<br />

geknüpft wird. Tatsächlich könnte man davon sprechen, dass die Souveränität<br />

des <strong>Empire</strong> selbst marginal wird, sich an den Rändern realisiert, an<br />

denen Grenzen flexibel, Identitäten hybrid und im Fluss sind. Es ist schwierig<br />

zu bestimmen, was für das <strong>Empire</strong> wichtiger ist, das Zentrum oder die<br />

Ränder. Tatsache ist, dass Zentrum und Rand kontinuierlich ihre Lage verschieben,<br />

feststehende Orte meiden. Man könnte sogar davon sprechen,<br />

dass der Prozess selbst virtuell ist und seine Macht gerade auf der Macht<br />

des Virtuellen beruht.<br />

Nun könnte man einwenden, dass der Prozess, in dem sich die imperiale<br />

Souveränität herausbildet, obwohl er virtuell ist und an den Rändern wirkt,<br />

in vielerlei Hinsicht sehr real ist. Wir wollen diese Tatsache keineswegs<br />

leugnen. Wir behaupten vielmehr, dass wir es hier mit einer besonderen Art<br />

der Souveränität zu tun haben: einer diskontinuierlichen Form der Souveränität,<br />

die als randständig oder marginal aufgefasst werden sollte, insofern<br />

sie »in letzter Instanz« wirkt, eine Souveränität, deren einziger Bezugspunkt<br />

die definitive Machtvollkommenheit ist, die sie ausüben kann. Das <strong>Empire</strong><br />

erscheint so in Gestalt einer High-Tech-Maschine: Sie ist virtuell, geeignet,<br />

kaum wahrnehmbare Ereignisse zu kontrollieren, so organisiert, dass sie<br />

Systemabstürze beherrscht, und nötigenfalls bereit zu intervenieren (in einer

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