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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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ZWEI EUROPA, ZWEI MODERNFN 91<br />

mögliches Ziel darstellte. (...) Erst von diesem Augenblick an kristallisierte<br />

sich der Eurozentrismus heraus.« (Amin 1988, 53). Auf der einen Seite<br />

stieß der Renaissance-Humanismus eine revolutionäre Vorstellung von der<br />

Gleichheit aller Menschen, von Einzigartigkeit und Gemeinschaft, von Kooperation<br />

und Menge an, die ihren Widerhall in den Kräften und Bestrebungen<br />

fand, die sich horizontal über den Globus verbreiteten, und sich<br />

durch die Entdeckung anderer Völker und Länder verstärkte. Auf der anderen<br />

Seite aber begann die gleiche gegenrevolutionäre Macht, welche die<br />

konstituierenden und subversiven Kräfte innerhalb Europas unter ihre Kontrolle<br />

zu bringen versuchte, damit, die Möglichkeit und die Notwendigkeit,<br />

andere Völker europäischer Herrschaft zu unterwerfen, in die Tat umzusetzen.<br />

Der Eurozentrismus entstand als Reaktion auf die Möglichkeit einer<br />

neu begründeten Gleichheit aller Menschen; er war die Gegenrevolution im<br />

globalen Maßstab. Auch hier behielt die zweite Spielart der Moderne die<br />

Oberhand, doch auch in diesem Falle nicht endgültig. <strong>Die</strong> europäische Moderne<br />

ist von ihren Anfängen an ein Krieg an zwei Fronten. <strong>Die</strong> europäische<br />

Herrschaft über andere ist permanent in der Krise - und zwar in der gleichen<br />

Krise, welche die europäische Moderne bestimmt.<br />

Im 17. Jahrhundert setzte sich die Vorstellung von der Moderne als Krise<br />

endgültig durch. Das Jahrhundert begann mit der Verbrennung Giordano<br />

Brunos auf dem Scheiterhaufen, es setzte sich fort mit fürchterlichen Bürgerkriegen<br />

in Frankreich und England und es erlebte das schreckliche<br />

Schauspiel des dreißigjährigen Bürgerkriegs in Deutschland. Gleichzeitig<br />

ging die europäische Eroberung des amerikanischen Kontinents mit ihren<br />

Gemetzeln und der Versklavung der dort lebenden Bevölkerung mit gesteigerter<br />

Intensität weiter. In der zweiten Jahrhunderthälfte schien der monarchische<br />

Absolutismus auf dem europäischen Festland den Weg in Richtung<br />

Freiheit endgültig zu blockieren. Der Absolutismus versuchte den Begriff<br />

der Moderne zu besetzen und ihn von der Krise, durch die er bestimmt ist,<br />

zu lösen, indem er ein <strong>neue</strong>s Arsenal an transzendentalen Kategorien in<br />

Stellung brachte. Zur selben Zeit trat außerhalb Europas der Kolonialismus<br />

allmählich an die Stelle der Eroberung, und die willkürliche Suche nach<br />

Gold, Reichtümern und Raubgut wurde nach und nach durch Handelsniederlassungen,<br />

feste Produktionsformen und den afrikanischen Sklavenhandel<br />

ersetzt. Doch das 17. Jahrhundert - und das macht seine Ambivalenz<br />

aus - war zugleich ein fragiles, barockes Jahrhundert. Aus den Abgründen<br />

der gesellschaftlichen Welt stieg beständig die Erinnerung an das empor,<br />

was es begraben wollte.

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