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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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NETZWLRK-MACHT- DIE SOUVERÄNITÄT DER USA 183<br />

jungen Vereinigten Staaten: <strong>Die</strong> afrikanischen Amerikaner mussten Aufnahme<br />

in die Verfassung finden, konnten aber nicht gleichberechtigt aufgenommen<br />

werden. (<strong>Die</strong> Frauen nahmen übrigens eine ähnliche Rolle ein.)<br />

<strong>Die</strong> Konstitutionalisten im Süden demonstrierten ganz offen, dass die Verfassung<br />

mit ihrem dialektischen, selbstreflexiven und »föderalistischen«<br />

Zug diese perverse Interpretation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung erlaubte,<br />

ja sogar erforderte, obwohl sie dem in der Unabhängigkeitserklärung<br />

proklamierten Gleichheitsgrundsatz vollständig zuwider lief.<br />

Wie heikel dieser Widerspruch ist, zeigt sich an dem bizarren Kompromiss<br />

im Verfassungsentwurf, zu dem man sich in quälenden Verhandlungen<br />

durchringen musste: Danach fließt die Zahl der Sklaven unter der Bevölke-<br />

rung zwar in die Bestimmung der Zahl der Vertreter ein, die jeder Staat ins<br />

Repräsentantenhaus entsenden darf, wobei ein Sklave jedoch nur drei Fünf-<br />

tel eines freien Menschen zählt (die Südstaaten wollten, dass dieses Ver-<br />

hältnis so hoch wie möglich ausfiel, um ihre Macht im Kongress zu stärken,<br />

während es die Nordstaaten so niedrig wie möglich halten wollten). <strong>Die</strong><br />

Verlassungsväter waren somit letztlich gezwungen, den konstitutionellen<br />

Wert unterschiedlicher Rassen zu quantifizieren. Sie verkündeten deshalb,<br />

dass die Zahl der Repräsentanten bestimmt wird, »indem zur Gesamtzahl<br />

der freien Personen, einschließlich derer, die für eine bestimmte Zahl von<br />

Jahren zu <strong>Die</strong>nst verpflichtet sind, jedoch ausschließlich der nicht besteuerten<br />

Indianer, drei Fünftel aller übrigen Personen hinzu gezählt werden«<br />

(Art. I, Abschn. 2; vgl. dazu Miller 1977, 221-225). Eins für einen Weißen<br />

und Null für einen Indianer wirft relativ wenig Probleme auf. aber drei<br />

Fünftel ist eine ziemliche Verlegenheitslösung für eine Verfassung. Man<br />

konnte die afrikanisch-amerikanischen Sklaven weder vollständig einbeziehen<br />

noch gänzlich ausschließen. <strong>Die</strong> Sklaverei war somit paradoxerweise<br />

sowohl eine Ausnahme von als auch eine Grundlage der Verfassung.<br />

<strong>Die</strong>ser Widerspruch stürzte den neu entworfenen amerikanischen Souveränitätsbegriff<br />

in eine Krise, weil er die freie Zirkulation. Vermischung und<br />

Gleichheil, auf denen diese Souveränität fußt, behinderte (vgl. dazu Kämmen<br />

1986. 96-105). Imperiale Souveränität muss stets Hindernisse und<br />

Schranken sowohl im Innern wie an den Grenzen überwinden. Denn einzig<br />

dadurch ist der imperiale Raum ein offener. <strong>Die</strong> beträchlichen internen<br />

Schranken zwischen Schwarz und Weiß, Freien und Sklaven blockierten<br />

die imperiale Integrationsmaschine und entwerteten den ideologischen Anspruch<br />

auf offene Räume.

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