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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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386 UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

Lebens entspringt Religion - Wissenschaft - und Kunst.« Und weiter heißt<br />

es: »Und dieses Bewusstsein ist das Leben selber. Kann es eine Ethik geben,<br />

wenn es außer mir kein Lebewesen gibt? Wenn die Ethik etwas<br />

Grundlegendes sein soll: ja! Wenn ich recht habe, so genügt es nicht zum<br />

ethischen Urteil, dass eine Welt gegeben sei. <strong>Die</strong> Welt ist dann an sich weder<br />

gut noch böse. (...) Gut und Böse tritt erst durch das Subjekt ein. Und<br />

das Subjekt gehört nicht zur Welt, sondern ist eine Grenze der Welt.« Wittgenstein<br />

prangert den Gott des Krieges und die Wüste der Dinge, in der Gut<br />

und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind, an, indem er die Welt an der<br />

Grenze zur tautologischen Subjektivität ansiedelt: »Hier sieht man, dass der<br />

Solipsismus streng durchgeführt mit dem reinen Realismus zusammenfällt.«<br />

(Wittgenstein 1914-16, 173f., 177) <strong>Die</strong>se Grenze ist jedoch schöpferisch.<br />

<strong>Die</strong> Alternative ist dann (und nur dann) vollständig gegeben, wenn<br />

die Subjektivität als außerhalb der Welt stehend begriffen wird: »Meine<br />

Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als<br />

unsinnig erkennt, wenn er durch sie - auf ihnen - über sie hinaus gestiegen<br />

ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinauf<br />

gestiegen ist.) Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.«<br />

(Wittgenstein 1921, 83) Wittgenstein erkennt, dass das Ende jeder<br />

möglichen Dialektik und jeglichen Sinns in der Logik der Welt liegt und<br />

nicht in ihrer marginalen, subjektiven Überschreitung.<br />

Der tragische Zug dieser philosophischen Erfahrung lässt uns diejenigen<br />

Elemente erkennen, welche die Wahrnehmung der modernen Krise und den<br />

Niedergang der europäischen Idee zu einer (negativen, aber notwendigen)<br />

Bedingung für die Bestimmung des kommenden <strong>Empire</strong> machten. <strong>Die</strong>se<br />

Autoren waren allesamt Rufer in der Wüste. Zum Teil sollte diese Generation<br />

in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern landen; andere sollten<br />

die Krise später durch ihren illusorischen Glauben an die sowjetische<br />

Modernisierung perpetuieren, während ein Gutteil dieser Autoren nach<br />

Amerika floh. Sie waren in der Tat Rufer in der Wüste, aber ihre seltenen<br />

und singulären Antizipationen des Wüstendaseins geben uns die Möglichkeit,<br />

über die Möglichkeiten der Menge in der <strong>neue</strong>n Wirklichkeit des<br />

postmodernen <strong>Empire</strong> nachzudenken. <strong>Die</strong>se Autoren haben als erste die<br />

Bedingung für die vollständige Deterritorialisierung des künftigen <strong>Empire</strong><br />

definiert, und sie waren damals genauso mitten in dieser Deterritorialisierung,<br />

wie es die Menge heute ist. <strong>Die</strong> Negativität, die Weigerung, sich zu<br />

beteiligen, die Entdeckung einer alles umschließenden Leere - das alles<br />

heißt, sich selbst kategorisch in einer imperialen Wirklichkeit zu verorten,

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