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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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GEMISCHTE VERFASSUNG 317<br />

Das Verhältnis zwischen Staat und Kapital veränderte sich im 19. und<br />

frühen 20. Jahrhundert allmählich, als die kapitalistische Entwicklung zunehmend<br />

durch Krisen bedroht war. In Europa und in den USA entstanden<br />

Konzerne, Trusts und Kartelle und errichteten Quasi-Monopole in spezifischen<br />

industriellen Branchen oder bestimmten Bereichen von Branchen, die<br />

sich weit über nationalstaatliche Grenzen erstreckten. <strong>Die</strong> Periode der Monopole<br />

bedeutete für das Wohl des Kapitalismus eine direkte Bedrohung,<br />

weil Monopole die Konkurrenz unter den Kapitalisten untergruben, die für<br />

das System das Lebenselixier ist. 5 <strong>Die</strong> Bildung von Monopolen und Quasi-<br />

Monopolen unterminierte zugleich die staatliche Handlungsfähigkeit. <strong>Die</strong><br />

riesigen Kapitalgesellschaften gewannen so die Macht, ihre partikularen<br />

Interessen gegenüber den Interessen des Gesamtkapitals durchzusetzen. In<br />

der Folge gab es eine Reihe von Auseinandersetzungen, in denen der Staat<br />

versuchte, sein Kommando über die Kapitalgesellschaften auf Antitrust-<br />

Gesetze, auf Steuern und Abgaben sowie auf die Ausweitung staatlicher<br />

Bestimmungen für die Industrie zu gründen. Auch in den Kolonialgebieten<br />

führte das unkontrollierte Treiben der souveränen Handelskompanien und<br />

Wagnisgese 11 Schäften zunehmend in die Krise. So war der Aufstand von<br />

1857 gegen die Kräfte der EIC in Indien ein Warnsignal für die britische<br />

Regierung, das auf das drohende Desaster hindeutete, falls man die kolonialen<br />

Kapitalisten unkontrolliert gewähren ließ. Das im Jahr darauf vom<br />

britischen Parlament verabschiedete Ostindiengesetz war eine direkte Antwort<br />

auf die drohende Krise. <strong>Die</strong> europäischen Mächte errichteten allmählich<br />

voll ausgebildete und funktionstüchtige Verwaltungsstrukturen in den<br />

kolonialen Gebieten und vollzogen damit letztlich die Rückholung der kolonialen<br />

Ökonomie und Gesellschaft unter die Rechtsprechung des Nationalstaats;<br />

dies sicherte die Interessen des gesellschaftlichen Gesamtkapitals<br />

gegen die Krise. <strong>Die</strong> Nationalstaaten waren im Innern wie nach außen gezwungen,<br />

stärker zu intervenieren, um die Interessen des gesellschaftlichen<br />

Gesamtkapitals gegen die einzelner Kapitalisten zu schützen.<br />

Heute kann man eine dritte Phase dieses Verhältnisses voll entfaltet sehen.<br />

In ihr haben große transnationale Konzerne faktisch die Rechtsprechung<br />

und Autorität nationaler Staaten hinter sich gelassen. Es mag darum<br />

scheinen, als ginge die über Jahrhunderte andauernde Dialektik zu Ende:<br />

Der Staat ist unterlegen, und Konzerne beherrschen die Erde. In den vergangenen<br />

Jahren haben zahlreiche Untersuchungen aus der Linken dieses<br />

Phänomen in apokalyptischen Bildern beschrieben, als die Bedrohung der<br />

Menschheit, die hemmungslosen kapitalistischen Konzernen ausgeliefert

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