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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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NETZWERK-MACHT: DIE SOUVERÄNITÄT DER USA 179<br />

tränkt sind, aber diese unrühmliche Geschichte negiert nicht den Unterschied<br />

zwischen den beiden Souveränitätsbegriffen.<br />

Das vielleicht grundlegende Kennzeichen imperialer Souveränität liegt<br />

in ihrem stets offenen Raum. Wie wir in den vorhergehenden Kapiteln gesehen<br />

haben, betrachtete die moderne Souveränität, die sich in Europa seit<br />

dem 16. Jahrhundert ausbildete, Raum als begrenzt, und dessen Grenzen<br />

wurden stets von der souveränen Regierung überwacht. Moderne Souveränität<br />

ist genau auf der Grenze angesiedelt. Im Gegensatz dazu wird die Logik<br />

der Machtverhältnisse in der imperialen Vorstellung durch die Expansion<br />

immer wieder er<strong>neue</strong>rt und neu geschaffen. <strong>Die</strong>se Definition imperialer<br />

Macht hat zahlreiche Paradoxa zur Folge: die Indifferenz der Subjekte bei<br />

gleichzeitiger Singularisierung der produktiven Netzwerke; den offenen und<br />

expansiven Raum des <strong>Empire</strong> bei gleichzeitiger fortwährender Reterritorialisierung<br />

usw. <strong>Die</strong> Vorstellung von einem <strong>Empire</strong>, das zugleich eine demokratische<br />

Republik ist, bildet sich jedoch gerade dadurch, dass die Extreme<br />

dieser Paradoxa miteinander in Beziehung gesetzt und verbunden werdeii-<br />

Das Spannungsverhältnis zwischen diesen begrifflichen Paradoxa durchzieht<br />

die gesamte Artikulation und praktische Durchsetzung imperialer<br />

Souveränität.<br />

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Entwicklung und Expansion<br />

des <strong>Empire</strong> auf einer Vorstellung von Frieden beruhen. <strong>Die</strong>se immanente<br />

Friedensidee steht in völligem Gegensatz zur transzendenten Vorstellung<br />

von Frieden, das heißt zu einem Frieden, den einzig der transzendente<br />

Souverän für eine Gesellschaft, deren Natur durch Krieg bestimmt<br />

ist, gewährleisten kann. Im Gegensatz dazu ist im <strong>Empire</strong> der Frieden der<br />

Naturzustand des Menschen. <strong>Die</strong>ser römische Frieden findet sich wohl am<br />

besten bei Vergil formuliert: »Schon ist die letzte Zeit des cumaeischen<br />

Liedes [der Prophezeiung der Sibylle von Cumae] gekommen, die große<br />

Reihe der Äonen wird von Neuem geboren.« (Vergil 2001, 37)<br />

Offene Grenzen<br />

Der imperiale Souveränitätsbegriff wurde in einem langwierigen Prozess<br />

während der verschiedenen Phasen der amerikanischen Verfassungsgeschichte<br />

verwirklicht. Als schriftlich fixiertes Dokument blieb die amerikanische<br />

Verfassung selbstverständlich weitgehend unverändert (mit Ausnahme<br />

einiger äußerst wichtiger Verfassungszusätze), aber die Verfassung

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