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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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SYMPTOME DES ÜBERGANGS 153<br />

gemeinsamen Nenner haben, nämlich den Generalangriff auf die<br />

Aufklärung (vgl etwa Flax 1990). Aus dieser Perspektive ist der Schlachtruf<br />

klar: Aufklärung ist das Problem, die Postmoderne die Lösung.<br />

Wir sollten jedoch genauer unter die Lupe nehmen, was aus dieser postmodernen<br />

Perspektive jeweils genau mit »Aufklärung« oder »Moderne«<br />

gemeint ist (vgl. dazu Weeks 1998, Kap. 2). Weiter oben haben wir behauptet,<br />

dass man die Moderne nicht als einheitlich und homogen begreifen<br />

sollte, sondern dass sie vielmehr aus mindestens zwei unterschiedlichen und<br />

konfligierenden Traditionslinien besteht. <strong>Die</strong> erste Traditionslinie setzt mit<br />

der Revolution des Renaissancehumanismus von Duns Scotus bis Spinoza<br />

ein, mit der Entdeckung der Immanenz und der Betonung von Singularität<br />

und Differenz. <strong>Die</strong> zweite Traditionslinie, der Thermidor der Renaissancerevolution,<br />

versucht die utopischen Kräfte der ersten durch die Konstruktion<br />

und Vermittlung von Dualismen zu kontrollieren und gelangt schließlich als<br />

provisorische Lösung zum Begriff der modernen Souveränität. Wenn die<br />

Postmodernisten sich nun in Opposition zu einer Moderne und einer Aufklärung<br />

stellen, welche die Universalität der Vernunft nur deshalb hoch<br />

halten, um die Überlegenheit des weißen männlichen Europäers zu bestätigen,<br />

so sollte klar sein, dass sie in Wahrheit die zweite Traditionslinie in<br />

unserem Schema attackieren (und die erste leider ignorieren oder ausblenden).<br />

Mit anderen Worten: Es wäre genauer, davon zu sprechen, dass die<br />

postmoderne Theorie weder die Aufklärung noch die Moderne in toto in<br />

Frage stellt, sondern ganz spezifisch die Tradition moderner Souveränität.<br />

Noch genauer: <strong>Die</strong>se verschiedenen theoretischen Kontroversen weisen die<br />

größte Gemeinsamkeit darin auf, dass sie die Dialektik als zentrale Logik<br />

moderner Herrschaft, Exklusion und Befehlsgewalt in Frage stellen - und<br />

zwar sowohl deshalb, weil sie die Vielfalt der Differenz in binäre Gegensätze<br />

zwingt, als auch, weil sie daran anschließend diese Differenzen unter<br />

eine einheitliche Ordnung subsumiert. Wenn moderne Macht selbst dialektisch<br />

ist, so die logische Schlussfolgerung, dann muss das postmoderne<br />

Projekt nichtdialektisch sein.<br />

Angesichts der Tatsache, dass die postmodernen Diskurse sich gegen die<br />

dialektische Form moderner Souveränität richten, lässt sich deutlicher erkennen,<br />

wie sie Herrschaftssysteme wie Rassismus und Sexismus anfechten,<br />

indem sie nämlich die Trennlinien, welche die Hierarchien zwischen<br />

Weiß und Schwarz, zwischen Männern und Frauen usw. aufrechterhalten,<br />

dekonstruieren. Aus diesem Grund können die Postmodernisten ihre theoret<br />

ische Praxis als Erbe eines ganzen Spektrums moderner und heutiger

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