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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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<strong>Die</strong> MENGE GEGEN DAS EMPIRE 403<br />

zeug zuzurüsten, das Pferde ziehen oder das auf dem Meer fahrt, nein, du<br />

musst dies alles dahinten lassen und nicht blicken, sondern nur gleichsam<br />

die Augen schließen und ein anderes Gesicht statt des alten in dir erwecken,<br />

welches jeder hat, aber wenige brauchens.« (Plotin 1954, 21f.) So drückte<br />

der antike Mystizismus das <strong>neue</strong> Telos aus. Heute jedoch befindet sich die<br />

Menge auf den imperialen Oberflächen, wo es keinen Gottvater und keine<br />

Transzendenz gibt, sondern nur unsere immanente Arbeit. <strong>Die</strong> Teleologie<br />

der Menge ist theurgisch: Sie besteht in der Möglichkeit, die Technologien<br />

und die Produktion so auszurichten, dass die Menge darin Glück erfährt und<br />

ihre eigene Macht verstärkt. Es gibt für die Menge keinen Grund, außerhalb<br />

ihrer eigenen Geschichte und außerhalb ihrer gegenwärtigen Produktionsmacht<br />

nach den Mitteln zu suchen, mit deren Hilfe sie sich als politisches<br />

Subjekt konstituiert.<br />

Damit beginnt sich eine materielle Vernunftmythologie herauszubilden,<br />

und sie entsteht in den Sprachen, den Technologien und all den Mitteln, aus<br />

denen sich die Lebenswelt zusammensetzt. Es handelt sich um eine materielle<br />

Religion der Sinne, welche die Menge von jedem Rest souveräner<br />

Macht und jedem »langen Arm« des <strong>Empire</strong> scheidet. <strong>Die</strong> Vernunftmythologie<br />

ist die symbolische und imaginäre Artikulation, die dafür sorgt, dass<br />

sich die Ontologie der Menge in Form von Tätigkeit und Bewusstsein ausdrücken<br />

kann. <strong>Die</strong> Mythologie der Sprachen der Menge richtet sich auf das<br />

Telos eines irdischen Staates {civitas terrena), der durch die eigene Schicksalsmacht<br />

der Zugehörigkeit zu oder Unterworfenheit unter einen Gottesstaat<br />

(civitas Dei) entrissen ist, der jegliche Ehre und Legitimität verloren<br />

hat. Den metaphysischen und transzendenten Vermittlungsinstanzen, der<br />

Gewalt und der Korruption wird somit die absolute Konstitution von Arbeit<br />

und Kooperation gegenüber gestellt, der irdische Staat der Menge.<br />

Endlose Pfade (Das Recht auf eine Weltbürgerschaft)<br />

<strong>Die</strong> Konstitution der Menge erscheint zunächst als räumliche Bewegung,<br />

welche die Menge an einem grenzenlosen Ort konstituiert. <strong>Die</strong> Mobilität<br />

von Waren (und damit auch dieser besonderen Ware Arbeitskraft) galt seit<br />

der Entstehung des Kapitalismus als Grundvoraussetzung für Akkumulation.<br />

<strong>Die</strong> Bewegungen von Individuen, Gruppen und Bevölkerungen, die wir<br />

heute im <strong>Empire</strong> beobachten können, lassen sich den Gesetzen kapitalistischer<br />

Akkumulation jedoch nicht vollständig unterwerfen - in jedem Au-

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