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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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DISZIPLIN UND REGIERBARKEIT 261<br />

Projekt einer sozialistischen Modernisierung, doch waren das im Gesamtprozess<br />

untergeordnete Momente. Wirklich wichtig, in seiner Bedeutung<br />

weit über die Geschichte des Kalten Kriegs hinausreichend war die gewaltige<br />

postkoloniale Transformation der »Dritten Welt« im Gewand von Modernisierung<br />

und Entwicklung. Letztlich war dieses Projekt relativ unabhängig<br />

von den Dynamiken und Beschränkungen des Kalten Kriegs, und<br />

post factum könnte man beinahe behaupten, dass in den Ländern der Dritten<br />

Welt der Wettbewerb der beiden Weltmachtblöcke die Befreiungsprozesse<br />

sogar beschleunigte.<br />

Gewiss standen die trikontinentalen Eliten in den antikolonialen und antiimperialistischen<br />

Kämpfen jener Epoche ideologisch auf der einen oder<br />

der anderen Seite des Kalten Kriegs, und in beiden Fällen definierten sie<br />

das Massenprojekt der Befreiung als Modernisierung und Entwicklung. Für<br />

uns jedoch, nüchtern vom Rand der Moderne aus betrachtend, ist es nicht<br />

schwer, den tragischen Mangel an Perspektive wahrzunehmen, den die<br />

Übersetzung von Befreiung in Modernisierung birgt. Der Mythos der Moderne<br />

- und damit der Souveränität, der Nation, der Disziplin etc. - war fast<br />

ausschließlich die Ideologie der Eliten, doch spielt das hier nicht die Hauptrolle.<br />

<strong>Die</strong> revolutionären Befreiungsprozesse wiesen - in ihrer Bestimmung<br />

durch die Menge - über die Modernisierungsideologie hinaus und zeigten<br />

eine erstaunliche <strong>neue</strong> Subjektivität. <strong>Die</strong>se Subjektivität passte nicht in das<br />

bipolare Verhältnis zwischen USA und UdSSR oder in das zweier wetteifernder<br />

Regimes, die beide bloß die Herrschaftsmodalitäten der Moderne<br />

reproduzierten. Als Nehm, Sukarno und Tschu En-lai 1955 zur Konferenz<br />

von Bandung zusammenkamen und als sich in den 1960ern die Bewegung<br />

der Blockfreien formierte, war das weniger genährt durch das ungeheure<br />

Elend dieser Nationen oder durch die Hoffnung auf Wiederholung der glorreichen<br />

Moderne; es war vielmehr Ausdruck des gewaltigen Befreiungspotenzials,<br />

das die Subalternen selbst hervorbrachten. 25 <strong>Die</strong>se blockfreie Perspektive<br />

war das erste Anzeichen eines <strong>neue</strong>n und verbreiteten Begehrens.<br />

<strong>Die</strong> Frage, was nach der Befreiung zu tun sei, damit man nicht in den<br />

Herrschaftsbereich des einen oder des anderen Lagers gerate, blieb unbeantwortet.<br />

Deutlich und voller Möglichkeiten hingegen zeichneten sich die<br />

Subjektivitäten ab, die über die Moderne hinauswiesen. Das utopische Bild<br />

der Sowjetischen und Chinesischen Revolution als alternative Entwicklungswege<br />

verblasste, als diese Revolutionen nicht mehr weiter gingen, das<br />

heißt, als sie daran scheiterten, einen Weg aus der Moderne zu finden. Das

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