17.10.2012 Aufrufe

Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

344 PASSAGEN DER PRODUKTION<br />

ein komplexes gesellschaftliches Dispositiv sorgt für ihre Ausdifferenzierung<br />

und ihr Verhältnis untereinander. In den Metropolen erstreckt sich die<br />

Arbeit ebenfalls durch das ganze Kontinuum kapitalistischer Produktion,<br />

von ihren Höhen bis in ihre Tiefen: <strong>Die</strong> Sweatshops in New York oder Paris<br />

können es mit denen in Hongkong oder Manila aufnehmen. Wenn Erste<br />

Welt und Dritte Welt, Zentrum und Peripherie, Norden und Süden jemals<br />

wirklich entlang nationalstaatlicher Grenzen getrennt waren, so gehen sie<br />

heute ineinander über; Ungleichheiten wie Grenzziehungen verteilen sich<br />

und zeigen fragmentierte und multiple Konturen. Das soll nicht heißen, dass<br />

die USA und Brasilien, Großbritannien und Indien heute identisch wären,<br />

was die kapitalistische Produktion und Zirkulation anbelangt, sondern dass<br />

die Unterschiede zwischen ihnen nur graduell und nicht prinzipiell sind. In<br />

verschiedenen Nationalstaaten und Regionen finden sich Anteile von so<br />

genannter Erster Welt und Dritter Welt, Zentrum und Peripherie, Norden<br />

und Süden in unterschiedlichem Ausmaß. Stabile nationale und internationale<br />

Grenzziehungen werden nicht mehr die Geografie der ungleichen Entwicklung<br />

wie die internationale Arbeitsteilung und Hierarchie vorzeichnen,<br />

sondern fließende Grenzen unterhalb und oberhalb der nationalstaatlichen<br />

Ebene.<br />

Es mag, mit einer gewissen Berechtigung, eingewandt werden, dass der<br />

Nationalstaat von maßgeblichen Stimmen der <strong>Weltordnung</strong> gerade in dem<br />

Moment für tot erklärt wird, als die Unterdrückten, die Verdammten der<br />

Erde »die Nation« als revolutionäre Waffe entdeckten. Nach dem Sieg nationaler<br />

Befreiungskämpfe und nach dem Auftreten internationaler und potenziell<br />

destabilisierender Allianzen in den Jahrzehnten nach der Bandung-<br />

Konferenz schien der einfachste Weg, die Macht des Nationalismus und des<br />

Internationalismus in der Dritten Welt zu untergraben, indem man sie des<br />

zentralen Instruments und Rückhalts beraubt, des Nationalstaats. Mit anderen<br />

Worten: Nach dieser Sicht der Dinge, die zumindest eine plausible Erklärung<br />

für eine komplexe Geschichte bietet, wurde der Nationalstaat, vormals<br />

Garant der internationalen Ordnung und Sockel imperialistischer<br />

Eroberung und Souveränität, durch den Aufstieg und die Organisation antiimperialistischer<br />

Kräfte zu etwas, von dem die größte Gefahr für die internationale<br />

Ordnung ausging. Auf dem Rückzug war der Imperialismus demnach<br />

gezwungen, den Rammbock aus dem eigenen Arsenal zu verbannen<br />

und zu zerstören, bevor die Waffe gegen ihn eingesetzt werden konnte.<br />

Wir glauben allerdings, dass es ein schwerer Fehler wäre, nostalgische<br />

Gefühle für die Macht des Nationalstaats zu hegen oder Politikformen wie-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!