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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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36 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

Frage, was Gerechtigkeit und Frieden ausmacht, wird keine wirkliche Lösung<br />

finden können; die Gewalt der <strong>neue</strong>n imperialen Konstitution wird<br />

sich nicht in einem Konsens verkörpern, den die Menge artikuliert. <strong>Die</strong> Begriffe<br />

des imperialen Rechts sind völlig unbestimmt, auch wenn sie nichtsdestoweniger<br />

konkret sind. Das <strong>Empire</strong> entsteht und zeigt sich als Krise.<br />

Müssen wir daher vom <strong>Empire</strong> der Dekadenz sprechen, in dem Sinn, wie<br />

Montesquieu und Gibbon Dekadenz beschrieben? Oder ist es besser verstanden,<br />

wenn man den antiken Begriff verwendet: das <strong>Empire</strong> der Korruption?<br />

Korruption ist hier kein bloß moralischer Ausdruck; Korruption ist vor<br />

allem in seiner juridischen und politischen Dimension zu verstehen. Montesquieu<br />

und Gibbon zufolge setzt sich der Kreislauf der Korruption unausweichlich<br />

in dem Moment in Gang, da die verschiedenen Regierungsformen<br />

nicht fest in der Republik verankert sind; das Gemeinwesen wird<br />

zerstört.' 5 Korruption hat darüber hinaus eine metaphysische Bedeutung:<br />

Wo Entität und Essenz, Effekt und Wert keine gemeinsame Erfüllung finden,<br />

entwickelt sich statt einer Generation die Korruption. 16 Wir werden auf<br />

diese Grundzüge des <strong>Empire</strong> später noch ausführlich zurückkommen.<br />

Eine abschließende Analogie sei gestattet: Sie bezieht sich auf die Entstehung<br />

der Christentums in Europa und auf seine Ausbreitung während des<br />

Niedergangs des Römischen Imperiums. In diesem Prozess formte und festigte<br />

sich ein enormes Potenzial an Subjektivität inmitten von Prophezeiungen<br />

einer kommenden Welt, einem chiliastischen Projekt. <strong>Die</strong>se <strong>neue</strong> Subjektivität<br />

bot den absoluten Gegenentwurf zum Geist des imperialen Rechts<br />

— eine <strong>neue</strong> ontologische Grundlage. Aus dieser Perspektive akzeptierte<br />

man die imperiale Gegenwart als »Reife der Zeiten« und Einheit der gesamten<br />

bekannten Zivilisation, stellte sie aber in ihrer Totalität durch eine<br />

vollkommen andere ethische und ontologische Perspektive in Frage. In<br />

gleicher Weise können heute, die Grenzen und unlösbaren Probleme der<br />

<strong>neue</strong>n imperialen Ordnung vor Augen, Theorie und Praxis darüber hinausgehen,<br />

um so einmal mehr die ontologische Grundlage des Antagonismus<br />

zu finden - innerhalb des <strong>Empire</strong>, doch gleichermaßen dagegen und darüber<br />

hinaus, auf der Höhe derselben Totalität.

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