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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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WIDERSTAND, KRISE, TRANSFORMATION 285<br />

verbreitete sich in Tausenden von Alltagspraktiken: Es war der Collegestudent,<br />

der mit LSD experimentierte, statt sich einen Job zu suchen; es war<br />

die junge Frau, die sich weigerte, zu heiraten und eine Familie zu gründen;<br />

es war der »ziellose« afrikanisch-amerikanische Arbeiter, der herumhing<br />

und auf jede erdenkliche Art Arbeit verweigerte (vgl. Kelley 1994, 17-100).<br />

<strong>Die</strong> Jugendlichen, die sich der repetitiven Abstumpfung der Fabrikgesellschaft<br />

verweigerten, erfanden <strong>neue</strong> Formen von Mobilität und Flexibilität,<br />

<strong>neue</strong> Lebensstile. <strong>Die</strong> Studentenbewegungen erzwangen eine Höherbewertung<br />

des Wissens und der intellektuellen Arbeit. <strong>Die</strong> Frauenbewegung<br />

machte deutlich, dass »persönliche« Beziehungen selbst politischer Natur<br />

sind, und wies die patriarchale Disziplin zurück; sie warf so die Frage des<br />

gesellschaftlichen Werts traditionellerweise als Frauenarbeit angesehener<br />

Tätigkeiten auf, in hohem Maße affektive und sorgende Arbeiten, in deren<br />

Mittelpunkt <strong>Die</strong>nste stehen, die für die gesellschaftliche Reproduktion unerlässlich<br />

sind (vgl. Echols 1989). <strong>Die</strong> gesamte Palette sozialer Bewegungen<br />

und die entstehenden Subkulturen in ihrer Gesamtheit unterstrichen den<br />

gesellschaftlichen Wert von Kooperation und Kommunikation. <strong>Die</strong>se<br />

grundlegende Umwertung der Werte in der gesellschaftlichen Produktion<br />

und Reproduktion <strong>neue</strong>r Subjektivitäten machte der umfassenden Transformation<br />

der Arbeitskraft den Weg frei. Im nächsten Abschnitt werden wir<br />

im Detail sehen, wie die Werte der Bewegungen - Mobilität, Flexibilität,<br />

Wissen, Kommunikation, Affekt - die Veränderung der kapitalistischen<br />

Produktion in den kommenden Jahrzehnten bestimmen werden.<br />

Verschiedene Untersuchungen der »Neuen sozialen Bewegungen« haben<br />

das Verdienst, die politische Bedeutung kultureller Bewegungen gegen eine<br />

verengte ökonomistische Perspektive hervorzuheben, die deren Wichtigkeit<br />

herunterspielt (vgl. Butler 1998; Laclau/Mouffe 1991). <strong>Die</strong>se Untersuchungen<br />

sind allerdings selbst in ihrer Reichweite beschränkt, weil sie genau wie<br />

die von ihnen kritisierte Perspektive ein verengtes Verständnis des Ökonomischen<br />

und des Kulturellen vermitteln. Es gelingt ihnen nicht, die zutiefst<br />

ökonomische Macht kultureller Bewegungen zu erkennen, oder genauer die<br />

wachsende Ununterscheidbarkeit ökonomischer und kultureller Phänomene.<br />

Kapitalistische Verhältnisse dehnen sich aus und subsumieren die gesellschaftliche<br />

Produktion und Reproduktion, den gesamten Bereich des Lebens,<br />

in jeder Hinsicht, und zugleich definieren kulturelle Verhältnisse Produktionsprozesse,<br />

ökonomische Strukturen und den Wert. <strong>Die</strong> ungeheure<br />

Akkumulation der Kämpfe zerstörte ein Produktionsregime, das vor allem<br />

auch ein Produktionsregime der Subjektivität war, und erfand ein <strong>neue</strong>s.

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