17.10.2012 Aufrufe

Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

396 UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

Korruption<br />

Der Generation gegenüber steht die Korruption. Weit davon entfernt, die<br />

notwendige Ergänzung zur Generation zu sein (wie es die verschiedenen<br />

platonischen Strömungen der Philosophie gerne hätten), ist Korruption lediglich<br />

deren schlichte Negation (vgl. zu den Begriffen Generation und<br />

Korruption Schürmann 1996). Korruption zerbricht die Kette des Begehrens<br />

und unterbricht deren Ausdehnung auf den biopolitischen Horizont der Produktion.<br />

Sie sorgt für schwarze Löcher und ontologische Leerstellen im<br />

Leben der Menge, die nicht einmal mehr die abartigste politische Wissenschaft<br />

überdecken kann. Korruption, das Gegenteil von Begehren, ist kein<br />

ontologischer Antrieb, sondern bedeutet schlicht, dass den biopolitischen<br />

Praktiken des Seins die ontologische Begründung fehlt.<br />

Im <strong>Empire</strong> herrscht überall Korruption. Sie ist Eckpfeiler und Schlüsselelement<br />

von Herrschaft. Sie findet sich in unterschiedlichen Formen auf der<br />

obersten Regierungsebene des <strong>Empire</strong> und in deren Vasallen-Verwaltungen,<br />

bei den elitärsten und den verrottetsten Polizeikräften, in den Lobbies der<br />

herrschenden Klassen, in den mafiosen Strukturen aufstrebender Gesellschaftsgruppen,<br />

in den Kirchen und Sekten, bei denen, die Skandale verursachen,<br />

und denen, die sie verfolgen, in den großen Finanzzentren und in<br />

den alltäglichen ökonomischen Transaktionen. Durch Korruption legt die<br />

imperiale Macht einen Rauchschleier über die Welt, und das Kommando<br />

über die Menge wird inmitten dieser stinkenden Wolke ausgeübt, fernab<br />

von Licht und Wahrheit.<br />

Es ist kein Geheimnis, wie man Korruption und die machtvolle Leere<br />

dieses Nebels der Indifferenz, den die imperiale Macht über die ganze Welt<br />

ausbreitet, erkennt. Denn die Fähigkeit, Korruption zu erkennen, ist, um<br />

einen Ausdruck von Descartes zu gebrauchen, »la faculte la mieux partagee«,<br />

die am weitesten verbreitete Gabe auf der Welt. Korruption lässt sich<br />

deshalb leicht erkennen, weil sie unmittelbar als Form von Gewalt erscheint,<br />

als verletzender Angriff. Und sie ist in der Tat ein verletzender Angriff:<br />

Sie ist Zeichen für die Unmöglichkeit, Macht und Wert miteinander<br />

zu verbinden, und ihre Verurteilung ist somit die unmittelbare Erkenntnis,<br />

dass es an Sein mangelt. Korruption trennt Körper und Geist von dem, was<br />

sie zu leisten imstande sind. Da Wissen und Dasein in der biopolitischen<br />

Welt immer darin bestehen, Wert zu produzieren, erscheint dieser Mangel<br />

an Sein als Wunde, als ein Todeswunsch des Gefährten, als eine Entfernung<br />

des Seins aus der Welt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!