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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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WIDERSTAND, KRISE, TRANSFORMATION 289<br />

schiede zu den dominanten kapitalistischen Ländern gelang es dem Proletariat<br />

in Russland und anderen Ländern des sowjetischen Blocks in den<br />

1960er und 1970er Jahren, genau die gleichen Probleme wie das Proletariat<br />

in den kapitalistischen Ländern zu stellen. Auch in Russland und in den<br />

anderen unter sowjetischer Kontrolle stehenden Ländern wuchs die Forderung<br />

nach höheren Löhnen und mehr Freiheit kontinuierlich im Rhythmus<br />

der Modernisierung. Und genau wie in den kapitalistischen Ländern entstand<br />

eine <strong>neue</strong> Gestalt der Arbeitskraft, die gewaltige Produktivkräfte auf<br />

der Grundlage der Entwicklung der produktiven intellektuellen Macht verkörperte.<br />

<strong>Die</strong>se <strong>neue</strong> produktive Realität, diese lebendige Massenintellektualität,<br />

versuchte die sowjetische Führung in die Käfige der disziplinären<br />

Kriegsökonomie (in einem Krieg, der rhetorisch ständig weitergeführt wurde)<br />

zu sperren und in den Strukturen einer sozialistischen Ideologie der Arbeit<br />

und der ökonomischen Entwicklung zu halten, also in einem sozialistischen<br />

Management des Kapitals, das keinerlei Sinn mehr hatte. <strong>Die</strong><br />

sowjetische Bürokratie war nicht in der Lage, das für die postmoderne Mobilisierung<br />

der <strong>neue</strong>n Arbeitskraft notwendige Arsenal zu errichten. <strong>Die</strong><br />

Veränderungen der tayloristischen und fordistischen Subjekte, die zuvor<br />

noch die Produktion am Leben erhalten hatten, erschreckten sie, terrorisierten<br />

sie ebenso wie der Zusammenbruch der Disziplinarregimes. Zu diesem<br />

Zeitpunkt wurde die Krise irreversibel und angesichts der Erstarrung<br />

unter Breschnew zur Katastrophe.<br />

Bedeutsam finden wir nicht so sehr das Fehlen von individueller und<br />

formaler Freiheit für die Arbeiter oder die Angriffe darauf, sondern die Verschwendung<br />

der produktiven Energie einer Menge,, die das Potenzial der<br />

Moderne ausgeschöpft hat und nun die Befreiung vom sozialistischen Management<br />

der kapitalistischen Akkumulation suchte, um ein höheres Produktivitätsniveau<br />

zu erreichen. <strong>Die</strong> Repression und die Energie waren die<br />

Kräfte, die, von verschiedenen Seiten wirkend, dazu führten, dass die sowjetische<br />

Welt wie ein Kartenhaus zusammenstürzte. Glasnost und Perestroika<br />

stellten gewiss Momente der Selbstkritik sowjetischer Macht dar und<br />

machten einen demokratischen Übergang zur Bedingung der Er<strong>neue</strong>rung für<br />

die Produktivität des Systems, doch kamen sie zu spät und zu zögerlich, als<br />

dass sie die Krise hätten stoppen können. <strong>Die</strong> sowjetische Maschine zog<br />

sich in sich selbst zurück und lief ohne den Treibstoff, den nur <strong>neue</strong> produktive<br />

Subjekte produzieren können, auf Grund. <strong>Die</strong> Sektoren der immateriellen<br />

und intellektuellen Arbeit entzogen dem Regime den Konsens, ihr<br />

Exodus verurteilte das System zum Tode: Tod durch den sozialistischen

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