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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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4. Symptome des Übergangs<br />

(D)er Mann steht nun einmal außerhalb unseres Volkes, außerhalb<br />

unserer Menschheit, immerfort ist er ausgehungert (...) der<br />

immer fortgesetzte Augenblick der Plage, (...) er hat immer nur<br />

eines: seine Schmerzen (...). er hat (...) also um soviel weniger<br />

als der Trapezkünstler im Variete, für den sie unten noch ein<br />

Fangnetz aufgehängt haben.<br />

Franz Kafka<br />

Das Ende des Kolonialismus und die schwindende Macht der Nation deuten<br />

auf einen allgemeinen Übergang vom Paradigma moderner Souveränität<br />

zum Paradigma imperialer Souveränität. <strong>Die</strong> verschiedenen postmodernen<br />

und postkolonialistischen Theorien, die seit den 1980er Jahren entwickelt<br />

wurden, erlauben uns einen ersten Blick auf diesen Übergang, doch die von<br />

ihnen gewährte Perspektive erweist sich als ziemlich beschränkt. Wie schon<br />

das Präfix »post­« andeuten soll, sind die Theoretiker der Postmoderne und<br />

des Postkolonialismus unermüdlich damit beschäftigt, die Herrschaftsformen<br />

der Vergangenheit und deren Vermächtnis in der Gegenwart zu kritisieren<br />

und sich davon zu befreien. <strong>Die</strong> Postmodernisten kehren ständig zum<br />

noch immer wirksamen Einfluss der Aufklärung als Quelle von Herrschaft<br />

zurück; die Theoretiker des Postkolonialismus bekämpfen die Überreste<br />

kolonialistischen Denkens.<br />

Wir befürchten, dass die postmodernen und postkolonialistischen Theorien<br />

in eine Sackgasse führen, weil sie das gegenwärtige Objekt der Kritik<br />

nicht adäquat erfassen, d.h. sie verfehlen den wirklichen Feind unserer Tage.<br />

Was nämlich, wenn die moderne Form der Macht, die diese Kritiker<br />

(und auch wir selbst) so sehr zu beschreiben und anzufechten bemüht waren,<br />

unsere Gesellschaft gar nicht mehr beherrscht? Was, wenn diese Theoretiker<br />

sich so sehr darauf versteift haben, die Überreste einer vergangenen<br />

Herrschaftsform zu bekämpfen, dass sie die <strong>neue</strong> Form, die bereits über

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