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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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242 PASSAGFN DER PRODUKTION<br />

venieren würde), hätte dieser Widerspruch, der Anlass zu Handels- und<br />

wirklichen Kriegen gleichermaßen bot, gelöst und beigelegt werden können.<br />

Kurz, Lenin übernahm Hilferdings Hypothese, wonach das Kapital in<br />

ein <strong>neue</strong>s Stadium internationaler Entwicklung getreten sei, das durch Monopole<br />

definiert ist, und dass dies sowohl zu einer Entfaltung der Widersprüche<br />

als auch zur Krise des Ausgleichs geführt hätte. <strong>Die</strong> Utopie einer<br />

vereinigten Bank auf internationaler Ebene konnte er allerdings nicht ernst<br />

nehmen, und die Möglichkeit, dass eine kapitalistische »Aufhebung« der<br />

Krise jemals möglich wäre, wies er zurück.<br />

Lenin betrachtete die Position Kautskys, der ebenfalls Hilferdings Schrift<br />

zum Ausgangspunkt nimmt, als noch utopischer und schädlicher. Kautsky<br />

(1915, 144) vertrat letztlich die Auffassung, der Kapitalismus sei in der<br />

Lage, den Weltmarkt politisch und ökonomisch tatsächlich zu vereinigen.<br />

Auf die gewalttätigen Konflikte des Imperialismus würde eine <strong>neue</strong> friedliche<br />

Phase des Kapitalismus folgen, die er die »Phase des Ultraimperialismus«<br />

nannte. <strong>Die</strong> Kapitalmagnaten könnten sich zu einem einzigen Welttrust<br />

zusammenschließen, der dann die Konkurrenz und den Kampf der<br />

national verankerten Finanzkapitale durch die internationale Vereinigung<br />

des Finanzkapitals ersetzen würde. Dadurch wäre in der Zukunft eine Phase<br />

vorstellbar, in der das Kapital zur friedlichen Aufhebung und Lösung der<br />

Widersprüche gelangt und in der es nicht einer vereinigten Bank, sondern<br />

Marktkräften und mehr oder minder staatlich regulierten Monopolen gelingen<br />

könnte, den weltweiten Ausgleich der Profitrate zu bestimmen. Lenin<br />

stimmte mit Kautskys Grundannahme überein, dass sich die Entwicklung<br />

des Kapitalismus in Richtung internationaler Kooperation der verschiedenen<br />

nationalen Finanzkapitale und möglicherweise in Richtung der Bildung<br />

eines einzigen Welttrusts bewege. Was er energisch zurückwies, war die<br />

Tatsache, dass Kautsky diese Vorstellung einer friedlichen Zukunft dazu<br />

nutzte, die Dynamiken der gegenwärtigen Wirklichkeit zu negieren. Lenin<br />

verurteilte Kautskys in jener Phase »durch und durch reaktionäre[s] Bestreben<br />

(...). die Widersprüche abzustumpfen« (Lenin 1915, 105). lü Statt auf die<br />

Ankunft des friedlichen Ultraimperialismus in der Zukunft zu warten, sollten<br />

Revolutionäre in der Gegenwart, ausgehend von den Widersprüchen der<br />

imperialistischen Formation des Kapitals, handeln.<br />

Während Lenin also die theoretischen Ansichten der referierten Autoren<br />

übernahm, wies er ihre politischen Positionen zurück. Obwohl er im Grundsatz<br />

mit Hilferdings Analyse übereinstimmte, wonach die Tendenz zu einem<br />

Weltmarkt durch Monopole beherrscht ist, bestritt er, dass dieser Zu-

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