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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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DISZIPLIN UND RrcirRBARKciT 257<br />

Jeder dieser Aspekte stellt einen Schritt im Übergang vom Imperialismus<br />

zum <strong>Empire</strong> dar.<br />

<strong>Die</strong> Dekolonisation, der erste Prozess, war heftig und bitter. Wir haben<br />

uns im Abschnitt II.3 bereits kurz mit ihr beschäftigt und ihren Verlauf aus<br />

der Perspektive der Kolonisierten im Befreiungskampf betrachtet. Hier<br />

müssen wir den Prozess mit Bezug auf die dominanten Mächte geschichtlich<br />

einordnen. <strong>Die</strong> Kolonialgebiete der Besiegten, also Deutschlands, Italiens<br />

und Japans, wurden ihnen natürlich vollständig entzogen und von den<br />

anderen Mächten übernommen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings waren die<br />

Kolonialprojekte der Sieger (Britannien, Frankreich, Belgien und Holland)<br />

ebenfalls bereits zum Stillstand gekommen (vgl. Ferro 1994; Ansprenger<br />

1966; Holland 1985). Außer dass sie sich in den Kolonien stärker werdenden<br />

Befreiungsbewegungen gegenübersahen, waren sie durch die bipolare<br />

Konfrontation der USA und der UdSSR matt gesetzt. <strong>Die</strong> antikolonialen<br />

Bewegungen selbst waren gleichfalls unmittelbar im Schraubstock des<br />

Kalten Kriegs festgeklemmt, und die Bewegungen, die bereits die Unabhängigkeit<br />

erreicht hatten, waren gezwungen, zwischen beiden Lagern zu<br />

verhandeln (vgl. Arrighi 1994, 69-75; Chesnais 1997). Was Harry S. Truman<br />

1947 während der Griechenlandkrise sagte, behielt für die antikolonialen<br />

und postkolonialen Kräfte während der ganzen Periode des Kalten<br />

Kriegs seine Gültigkeit: »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Weltgeschichte<br />

muss beinah jede Nation zwischen zwei ways of life die Wahl treffen.«<br />

(Truman 1947, 176; vgl. Kennedy 1989, 587-613; Schurmann 1974)<br />

<strong>Die</strong> lineare Spur der Dekolonisation wurde so von der Notwendigkeit<br />

unterbrochen, sich auf globaler Ebene einen Gegner zu suchen und sich<br />

hinter eines der beiden Modelle internationaler Ordnung zu stellen. <strong>Die</strong><br />

Vereinigten Staaten, die im Großen und Ganzen der Dekolonisation positiv<br />

gegenüberstanden, wurden durch die Bedingungen des Kalten Kriegs und<br />

den Niedergang der alten Imperialismen gezwungen, die Rolle als internationaler<br />

Bewahrer des Kapitalismus anzunehmen, und traten damit das<br />

zwiespältige Erbe der alten Kolonialmächte an. Von beiden Seiten also, von<br />

den antikolonialen Subjekten und von den USA, wurde der Prozess der Dekolonisation<br />

verzerrt und abgelenkt. <strong>Die</strong> USA erbten eine <strong>Weltordnung</strong>,<br />

doch eine, deren Herrschaftsformen in Konflikt mit ihrem eigenen konstitutionellen<br />

Projekt standen, das heißt mit ihrer imperialen Form der Souveränität.<br />

Der Vietnamkrieg der USA war die letzte Folge dieser zwiespältigen<br />

Erbschaft alter imperialistischer Macht, und er barg die Gefahr, jede<br />

positive Öffnung eines »<strong>neue</strong>n Horizonts« für das <strong>Empire</strong> zu blockieren

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