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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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40 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

Frankfurter Schule die Dialektik der Aufklärung, eine ganz ähnliche Subsumtion,<br />

nämlich den Übergang zur Subsumtion der Kultur (und der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse) unter die totalitäre Gestalt des Staats (Horkheimer/Adorno<br />

1944; Marcuse 1964). Der Übergang, auf den wir uns beziehen,<br />

unterscheidet sich jedoch grundlegend von den Prozessen, die Marx<br />

beschrieb oder die die Frankfurter Schule reformulierte und erweiterte und<br />

deren wichtigstes Merkmal die Eindimensionalität ist. Foucaults Analyse<br />

des Übergangs beschäftigt sich vor allem mit dem Paradox der Pluralität<br />

und Vielzahl, und Deleuze und Guattari entwickeln diese Perspektive weiter<br />

(Deleuze/Guattari 1992). <strong>Die</strong> Analyse der reellen Subsumtion, wenn<br />

man versteht, dass sie nicht nur die ökonomische oder die kulturelle Seite<br />

der Gesellschaft berührt, sondern den sozialen Bios, das gesellschaftliche<br />

Leben selbst, und dabei die Modalitäten der Disziplinierung und/oder der<br />

Kontrolle berücksichtigt, zeigt die Brüche in der linearen und totalitären<br />

Gestalt der kapitalistischen Entwicklung. <strong>Die</strong> Zivilgesellschaft wird vom<br />

Staat absorbiert, doch die Konsequenz daraus ist eine Explosion der Momente,<br />

die sich zuvor innerhalb der Zivilgesellschaft koordiniert und mediatisiert<br />

fanden. Widerstände sind nicht länger marginal, sondern werden<br />

aktiv inmitten einer Gesellschaft, die sich in Netzwerken öffnet; aus individuellen<br />

Orten werden Singularitäten auf Tausend Plateaus. Was Foucault<br />

implizit beschreibt (und Deleuze und Guattari explizieren), ist demnach das<br />

Paradox einer Macht, die jedes Moment gesellschaftlichen Lebens vereinheitlicht,<br />

in sich selbst einschließt und so die Fähigkeit verliert, zwischen<br />

auseinanderstrebenden gesellschaftlichen Kräften tatsächlich zu vermitteln,<br />

während sich im gleichen Augenblick ein <strong>neue</strong>r Kontext öffnet, ein <strong>neue</strong>s<br />

Milieu mit einem Maximum an Pluralität und der Unbezwingbarkeit der<br />

Singularitäten — ein Milieu des Ereignisses.<br />

Mit den Konzeptionen der Kontrollgesellschaft und der Biomacht lassen<br />

sich zwei zentrale Aspekte des <strong>Empire</strong> beschreiben. Der Begriff des <strong>Empire</strong><br />

bietet das konzeptionelle Gerüst zum Verständnis der <strong>neue</strong>n Omniversalität<br />

von Subjekten, und er ist das Ergebnis, zu dem das <strong>neue</strong> Machtparadigma<br />

führt. Eine regelrechte Kluft tut sich auf zwischen den verschiedenen Ansätzen<br />

der alten Theorie internationalen Rechts (sowohl in ihrer Orientierung<br />

an bilateralen Verträgen wie an der UNO) und der <strong>neue</strong>n Realität imperialen<br />

Rechts. Alle vermittelnden Momente sind weggefallen. <strong>Die</strong> Legitimierung<br />

der internationalen Ordnung stellt sich nicht mehr durch Mediatisierung<br />

her, sondern muss unmittelbar durchgesetzt werden, inmitten der<br />

Vielfalt. Aus der Sicht des Rechts haben wir diesen Aspekt bereits behan-

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