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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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58 DIE POLITISCHE KONSTITUTION DER GEGENWART<br />

zehnten der Krise, die die kommunistische, sozialistische und liberale Linke<br />

seit den 1960ern erlebt, zielte das kritische Denken, und zwar sowohl in den<br />

kapitalistisch entwickelten herrschenden als auch in den beherrschten Ländern,<br />

darauf, Orte des Widerstands neu zusammenzusetzen, sich auf die<br />

Identität sozialer Subjekte zu berufen, auf nationale oder regionale Gruppenzugehörigkeiten;<br />

man baut so in der politischen Analyse oft auf eine<br />

Lokalisierung der Kämpfe. Derlei Erklärungen richten sich bisweilen auf<br />

»ortsverbundene« oder »basisorientierte« Bewegungen oder Politik, und die<br />

Grenzen des Orts (einer Identität oder eines Territoriums) werden gegen<br />

den undifferenzierten und homogenen Raum globaler Vernetzung gestellt. 38<br />

Früher bezogen sich solche politischen Argumente auf die lange Tradition<br />

eines linken Nationalismus, der (im besten Fall) die Nation als wesentliches<br />

Instrument der Verteidigung gegen die Beherrschung durch ausländisches<br />

und/oder globales Kapital begriff (vgl. Abschnitt II, 2). Heute scheint der<br />

Syllogismus, der im Kern verschiedener Formen »lokalistischer« linker<br />

Strategien wirkt, nur noch reaktiv, nach dem Muster: Wenn sich kapitalistische<br />

Herrschaft zunehmend globalisiert, dann muss der Widerstand dagegen<br />

das Lokale verteidigen und Barrieren gegen die beschleunigten Ströme<br />

des Kapitals errichten. Aus dieser Perspektive müssen die wirkliche Globalisierung<br />

des Kapitals und die Konstitution des <strong>Empire</strong> als Zeichen der Kapitulation<br />

und der Niederlage wahrgenommen werden.<br />

Eine solche lokalistische Position nun, und darum geht es uns, ist in der<br />

Gegenwart falsch und schädlich, ungeachtet der Bewunderung und des Respekts,<br />

die wir der Haltung einiger ihrer Vertreter entgegenbringen. Falsch<br />

ist diese Position, weil sie das Problem von der falschen Seite her angeht. In<br />

vielen Beschreibungen beruht das Problem auf der falschen Dichotomie<br />

zwischen global und lokal, wobei man annimmt, dass das Globale Homogenisierung<br />

und die Entdifferenzierung von Identität mit sich bringt, während<br />

das Lokale Heterogenität und Differenz bewahrt. Impliziert wird damit<br />

häufig, dass die Differenzierung des Lokalen in irgendeinem Sinn natürlich<br />

sei, zumindest aber bleibt ihr Ursprung unhinterfragt; lokale Unterschiede<br />

seien dem heutigen Zustand vorausgegangen und müssten gegen das Eindringen<br />

der Globalisierung verteidigt oder geschützt werden. Es sollte nicht<br />

überraschen, dass angesichts solcher Voraussetzungen viele Verteidiger des<br />

Lokalen die Terminologie der traditionellen Naturschützer übernehmen<br />

oder sogar ihr »lokales« politisches Projekt mit der Verteidigung der Natur<br />

und der Artenvielfalt identifizieren. <strong>Die</strong>se Perspektive kann leicht in eine<br />

Art Vorstellung von natürlicher Ordnung kippen, die gesellschaftliche Ver-

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