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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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208 PASSAGEN DER SOUVERÄNlTÄTl<br />

ihnen geformt. Das Verhältnis von Innen und Außen ist dabei fundamental.<br />

Jede Institution besitzt ihre eigenen Regeln und ihre eigene Subjektivierungslogik,<br />

»in der Schule heißt es: >Du bist nicht mehr in der FamilieDu bist nicht mehr in der Schule< ...« (Deleuze/Guattari<br />

1992, 284). Gleichwohl ist das Individuum innerhalb der jeweiligen<br />

Institution zumindest teilweise vor dem Einfluss der anderen Institutionen<br />

geschützt; im Kloster ist man normalerweise vor dem Familienapparat sicher,<br />

zu Hause ist man üblicherweise nicht der Fabrikdisziplin ausgesetzt.<br />

<strong>Die</strong>ser deutlich abgegrenzte Ort der Institutionen spiegelt sich in der gleichmäßigen<br />

und festen Form der erzeugten Subjektivitäten.<br />

Im Übergang zur imperialen Gesellschaft bleibt der erstgenannte Aspekt<br />

der Moderne mit Sicherheit weiter erhalten, das heißt Subjektivitäten werden<br />

nach wie vor in der Gesellschaftsfabrik produziert. Ja, es ist sogar so, dass<br />

die gesellschaftlichen Institutionen Subjektivität auf immer intensivere Weise<br />

produzieren. Man könnte sagen: Postmoderne ist dann, wenn die moderne<br />

Theorie des gesellschaftlichen Konstruktivismus ins Extrem getrieben und<br />

jede Subjektivität als künstlich betrachtet wird. Wie aber ist das möglich,<br />

wenn heute doch, wie beinahe jeder behauptet, die in Frage stehenden<br />

Institutionen überall in der Krise sind und ständig zusammenbrechen? <strong>Die</strong>se<br />

allgemeine Krise bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Institutionen keine<br />

Subjektivität mehr produzieren. Was sich aber in der Tat verändert hat, ist<br />

die zweite Bedingung, das heißt: Der Ort, an dem Subjektivität produziert<br />

wird, ist nicht mehr in gleicher Weise definiert. Mit anderen Worten: <strong>Die</strong><br />

Krise bedeutet, dass die Einhegungen, die den begrenzten Raum der<br />

Institutionen bislang bestimmt haben, weggebrochen sind, so dass sich<br />

die Logik, die einst vor allem innerhalb dieser Institutionen herrschte,<br />

nunmehr über das gesamte gesellschaftliche Terrain ausbreitet. Tnnen und<br />

Außen sind nicht mehr zu unterscheiden.<br />

<strong>Die</strong>se Omni-Krise der Institutionen äußert sich jeweils sehr unterschiedlich.<br />

So nimmt etwa in den USA der Bevölkerungsanteil, der in der Kernfamilie<br />

lebt, kontinuierlich ab, während der Prozentanteil derjenigen, die im<br />

Gefängnis sitzen, stetig wächst. Beide Institutionen, die Kernfamilie wie<br />

das Gefängnis, sind jedoch in gleichem Maße in der Krise, nämlich in dem<br />

Sinne, dass der Ort ihres Wirkens immer weniger zu bestimmen ist. Man<br />

sollte jedoch nicht glauben, dass die Krise der Kernfamilie auch das Patriarchat<br />

geschwächt hätte, im Gegenteil: Diskurse und Praktiken der »Familienwerte«<br />

finden sich überall in der Gesellschaft. <strong>Die</strong> alte feministische Parole<br />

»The personal is the political« wurde sozusagen umgedreht, so dass nun-

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