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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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326 PASSAGEN DER PRODUKTION<br />

hatten vor und nach der englischen Revolution aus; und schließlich fand<br />

diese Linie Aufnahme im Denken der amerikanischen Gründerväter und<br />

ging in den Entwurf der US-Verfassung ein (vgl. Pocock 1975). <strong>Die</strong> grundlegende<br />

Verschiebung, die in dieser Traditionslinie vorgenommen wurde,<br />

war die Umwandlung des klassischen polybianisehen Dreiparteien-Modells<br />

in das Modell einer funktionalen Dreiteilung im Entwurf der Verfassung. In<br />

einer noch mittelalterlichen, proto-bourgeoisen Gesellschaft wie etwa dem<br />

Florenz Machiavellis oder dem vorrevolutionären England begriff man die<br />

polybianische Synthese als Bauwerk, in dem drei unterschiedliche Klassenkörper<br />

wohnten: Der Monarchie gehörten das Vereinigte Königreich und<br />

die Flotte, der Aristokratie das Land und die Armee, der Bourgeoisie die<br />

Stadt und das Geld. Wenn der Staat richtig funktionieren sollte, musste jeder<br />

Konflikt zwischen diesen Körpern im Interesse der Totalität geschlichtet<br />

werden. Im politischen Denken der Moderne hingegen, von Montesquieu<br />

bis zu den amerikanischen Föderalisten, wurde diese Synthese in ein<br />

Modell verwandelt, das Funktionen an die Stelle der Korper setzte (vgl.<br />

<strong>Negri</strong> 1992, 165-222), Soziale Klassen und Gruppen wurden selbst als Verkörperung<br />

bestimmter Funktionen angesehen: Exekutive, Judikative, Legislative.<br />

<strong>Die</strong>se Funktionen abstrahierten von den kollektiven gesellschaftlichen<br />

Subjekten, von denen sie ausgingen; man verstand sie stattdessen als<br />

bloß juridische Elemente. <strong>Die</strong> drei Funktionen wurden in einem Gleichgewicht<br />

organisiert, das formal dem entsprach, das vorher den Kompromiss<br />

zwischen den Klassen getragen hatte. Es war ein Gleichgewicht des Kräfteausgleichs,<br />

von Gewicht und Gegengewicht, das die Einheit des Staats<br />

und den Zusammenhalt seiner Teile fortlaufend organisiert und reproduziert.<br />

47<br />

In gewisser Weise scheint das antike polybianische Modell der Konstitution<br />

des Imperiums unserer Realität näher zu sein als seine Reformuhemng<br />

in der modernen, liberalen Tradition. Wir sind heute erneut in einer<br />

dynamischen Phase der Macht und ihrer Akkumulation, in der Funktionen<br />

in erster Linie aus dem Blickwinkel der Kräfteverhältnisse und ihrer Materialität<br />

gesehen werden und nicht aus der Perspektive eines möglichen<br />

Gleichgewichts oder einer Formalisierung des endgültigen Arrangements.<br />

In dieser Phase der Konstitution des <strong>Empire</strong> finden die Forderungen, die der<br />

moderne Konstitutionalismus zum Ausdruck bringt (etwa Gewaltenteilung<br />

oder prozedurale Legalität), nicht die höchste Priorität (vgl. Abschnitt 1.1).<br />

Man könnte nun behaupten, dass unsere Erfahrung der (sich herausbildenden)<br />

Konstitution des <strong>Empire</strong> tatsächlich dem Entwicklungsgang und

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