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Hardt, Michael & Negri, Antonio - Empire.-.Die neue Weltordnung.pdf

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WIDERSTAND, KRISE, TRANSFORMATION 279<br />

Geschichte kapitalistischer Formen ist immer notwendigerweise reaktiv:<br />

Auf sich selbst gestellt würde das Kapital niemals ein Profitregime abschaffen.<br />

Der Kapitalismus macht also systemische Veränderungen nur durch,<br />

wenn er dazu gezwungen und das gegenwärtige Regime nicht mehr länger<br />

zu halten ist. Um den Prozess aus der Perspektive des darin aktiven Moments<br />

zu begreifen, müssen wir einen Standpunkt auf der anderen Seite<br />

einnehmen - das heißt, den Standpunkt des Proletariats und damit zugleich<br />

den der verbliebenen nichtkapitalistischen Welt, die im Laufe der Geschichte<br />

in kapitalistische Verhältnisse einbezogen wird. <strong>Die</strong> Macht des<br />

Proletariats setzt dem Kapital Schranken; sie bestimmt nicht nur die Krise,<br />

sondern diktiert auch die Bedingungen und den Charakter der Transformation.<br />

Tatsachlich erfindet das Proletariat die gesellschaftlichen Formen und<br />

die Formen der Produktion, die das Kapital für die Zukunft zu übernehmen<br />

gezwungen ist.<br />

Einen ersten Eindruck dieser determinierenden Rolle des Proletariats erhalten<br />

wir, wenn wir fragen, wie die USA während der Krise in der Lage<br />

waren, ihre Hegemonie zu sichern. <strong>Die</strong> Antwort ist, dass es zum größten<br />

Teil und vielleicht paradoxerweise nicht die Intelligenz der US-Politiker<br />

und Kapitalisten war, sondern die Macht und die Kreativität des Proletariats<br />

in den USA, die hier wirkten. Während wir an anderer Stelle und aus anderer<br />

Perspektive den vietnamesischen Widerstand als symbolisches Zentrum<br />

der Kämpfe bezeichneten, erscheint nun, angesichts des Paradigmenwechsels<br />

im internationalen Kommando des Kapitals, das US-amerikanische<br />

Proletariat als das Subjekt, das die Wünsche und Bedürfnisse der internationalen<br />

und multinationalen Arbeiterklasse am vollständigsten ausdrückt.<br />

Gegen die verbreitete Ansicht, wonach das Proletariat in den USA schwach<br />

ist, weil es im Vergleich zu Europa und anderswo weniger in Partei und<br />

Gewerkschaft organisiert ist, sollten wir es vielleicht gerade aus diesen<br />

Gründen als stark ansehen. <strong>Die</strong> Macht der Arbeiterklasse besteht nicht in<br />

Institutionen, die sie repräsentieren, sondern im Antagonismus und in der<br />

Autonomie der Arbeiter selbst (Arrighi 1990). Das ist es, was die reale<br />

Macht der Industriearbeiterklasse in den USA kennzeichnete. Darüber hinaus<br />

lebten die proletarische Kreativität und die Bereitschaft zum Konflikt<br />

zugleich, und das ist vielleicht noch bedeutender, in der arbeitenden Bevölkerung<br />

außerhalb der Fabriken. Auch und gerade die, die sich aktiv der Arbeit<br />

verweigerten, entwickelten kreative Gegenentwürfe und stellten eine<br />

ernsthafte Gefahr für das Kapital dar (Kelley 1994). Um das Fortbestehen<br />

der US-Hegemonie zu verstehen, genügt es darum nicht, sich auf die Kräf-

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