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Naturschutzgeschichte UMG Berichte 6 gensümpfen und Auwäldern alle Sukzessionsstadien einer Mündungslandschaft. Noch immer finden sich hier große Bestände des vom Aussterben bedrohten Zwergrohrkolbens (Typha minima), vermutlich der größte mitteleuropäische Bestand dieser Pionierpflanze (Müller 1991, vgl auch Bohle 1987). Abb 28: Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1949 – durch die großflächigen Sedimentablagerungen des Neuen Rheins verlandeten die Fußacher und Harder Bucht zunehmend. Die ehemals 50 m tiefe Fußacher Bucht ist heute durchschnittlich einen Meter tief (Grabher & Blum 1990). Abb 29: Seit den 1970er Jahren wurden die Rheindämme rund 5 km in den Bodensee vorgestreckt. Aus ökologischer Sicht ist der Erhalt der Landschaftsdynamik von besonderer Bedeutung. Durch Revitalisierungsmaßnahmen soll der derzeit „sehr technische“ Rheinkanal mittelfristig ein naturnäheres Erscheinungsbild erhalten. (Foto: Hanno Thurnher Filmproduktion). Seite 90 von 172
Naturschutzgeschichte UMG Berichte 6 Einst regelmäßige Überschwemmungen Eine weitere grundlegende Veränderung war die Eindeichung: Der Bodensee weist jährliche Wasserstandsschwankungen von durchschnittlich 1,6 m auf. Der sommerliche Höchststand ist durch die höheren Niederschlagsmengen in den Sommermonaten und durch die Schneeschmelze im Gebirge bedingt. Dadurch wurden früher ufernahe Bereiche regelmäßig überschwemmt. Bei einem Wasseranstieg von bis zu 3 m war selbst das Wohngebiet von Fußach betroffen. Der erste Vorschlag, mit einem Damm das Siedlungsgebiet und die Landwirtschaftsflächen vor Überflutung zu schützen, stammt schon von Alois von Negrelli: Vorschläge von Negrelli Die Umgebung von Fußach war wegen ihrer äußerst niedrigen Lage, auch bei gewöhnlichem Sommerstand des Bodensees fast alljährlich unter Wasser gesetzt worden, wodurch sowohl der Kultur, als auch der Gesundheit der Einwohner großer Schaden zugefügt wurde. Es ist unbegreiflich, wie man so ruhig und sorgenlos dem fast alle Jahre wiederkehrenden Angriff des Sumpfwassers entgegensehen konnte, in dem herkömmlichen Vorurteil, dass „gegen den großen Bodensee nichts anzufangen sei“. Vom Kreisamt über eine Behebung des Übels befragt, antwortet Negrelli in einem schriftlichen Vorschlag vom 14. Juli 1827 unter anderem: „Wenn die Einwohner der Gemeinde Fußach die vielen im Laufe des Jahres, aber vorzüglich aber im Spätherbst und am Anfang des Frühjahres, sich ergebenden freien Stunden zu Anlegung eines Dammes dem Seegestade entlang, und dann längs dem linke Achufer bis am Büchel im Dorf Fußach verwenden würde, so würde dieser Ort in zwei bis drei Jahren von der jährlich wiederkehrenden Überschwemmung befreit werden“. (Fleischer 1950) Die Sachverständigen der Gemeinde Fußach unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Johann Joseph Spiehler erachteten jedoch Negrellis Antrag für „unmöglich“ und „unausführbar“. Am 7. November 1827 entrüstete sich Negrelli, dass „die Vorurteile des alten Schlendrian noch nicht abgelegt und die zu dem beantragten Unternehmen nötige Einsicht noch nicht erlangt“ sei (Fleischer 1950). Es sollten noch mehr als 100 Jahre vergehen, bis Negrellis Idee in die Tat umgesetzt wurde. 1925 plante die Vorarlberger Rheinbauleitung den Bau des Polderdamms. Über 10 Jahre später „drohte der Bodensee immer noch“: Vor zehn Jahren schon ging man daran, diese Gefahr zu bannen; man schuf ein Projekt. Ein langer Damm von Fußach nach Gaißau wurde geplant, der den See hinausdrängen sollte; dahinter wollte man große Pumpwerke mit einem Entwässerungsnetz errichten, um den Seedruck abzufangen und wegzuschaffen. Die Schweizer Gemeinde Altenrhein hat ein ähnliches Projekt schon längst verwirklicht und liegt trocken, wenn das Rheindelta schwimmt. Rechnerisch heißt das folgendes: Wenn wir zur selben Zeit den Damm gebaut hätten, also vor mindestens zehn Jahren, so hätte das Rheindelta in dieser Zeit eine Mehrerzeugung an Ernte von mindestens sechs Millionen Schilling zu verzeich- Seite 91 von 172
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