Darstellendes Spiel und ästhetische Bildung - KOBRA - Universität ...
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als auch auf das Schulspiel gesprochen werden. 64 Die Aufwertung des künstlerischen<br />
Gestaltens im <strong>Spiel</strong>prozess floss in beide Entwicklungsströmungen<br />
mit ein. 65<br />
Einen gesellschaftspolitischen Aspekt verlieh hingegen Berthold Brecht dem<br />
Theaterspiel. In seinem Konzept des Lehrstücks wird der/die handelnde <strong>Spiel</strong>er/-in<br />
gleichzeitig zu einem/einer Betrachter/-in. 66 Die Dimension „Zuschauer/-<br />
in“ <strong>und</strong> „<strong>Spiel</strong>er/-in“ wird dabei aufgehoben. Hierin liegt, nach Hentschel, eine<br />
„Überwindung der Kluft zwischen Kunst <strong>und</strong> Leben“. 67 Die <strong>Bildung</strong> des eigenen<br />
Selbst 68 bzw. des menschlichen Charakters 69 setzte sich für Brecht aus<br />
dem Annehmen, Verändern <strong>und</strong> Betrachten gesellschaftlicher, wie auch politischer<br />
Muster, Handlungen <strong>und</strong> Positionen zusammen. Durch die im <strong>Spiel</strong> gewonnene<br />
Handlungs- <strong>und</strong> Betrachtungsfähigkeit wird dem Menschen die Möglichkeit<br />
geboten, gesellschaftspolitisch zu wirken. Brecht zeigte in seinen Konzeptionsvorstellungen<br />
zu den Lehrstücken auch Aspekte der Jugendbewegung<br />
<strong>und</strong> Reformpädagogik auf, wenn es ihm darum ging, einen selbstbestimmten<br />
Menschen zu formen. Dieses Potenzial schrieb er dabei dem Theaterspielen<br />
zu. Gleichzeitig ist jedoch gerade auch sein Bemühen, an den verschiedenen<br />
Möglichkeiten des Theaters anzusetzen, 70 von Bedeutung. Im<br />
Vergleich zu Konzeptionen des Laienspiels unterscheidet sich Brecht jedoch<br />
gerade in der politischen Erziehungskomponente, die er dem Theater zuschreibt.<br />
71 Bezogen auf die Entwicklungsgeschichte des Darstellenden <strong>Spiel</strong>s<br />
sind Brechts Überlegungen insofern von besonderer Bedeutung, als dass sie<br />
in dessen Wurzeln mit einflossen. 72<br />
Mit Regierungsübernahme der Nationalsozialisten wurde jedoch jeglicher<br />
Fortschritt sowohl im Laien- als auch im Schulspiel zu einem unmöglichen Unterfangen.<br />
73 Das Theaterspiel bot gerade den Nationalsozialisten einen fruchtbaren<br />
Boden für die Vermittlung <strong>und</strong> Verbreitung der eigenen Ideologie <strong>und</strong><br />
Lehre. 74 Es wurde vorwiegend zur „Formationserziehung“ 75 genutzt, um so vor<br />
allem die jungen Menschen in das Konstrukt einer nationalsozialistischen Gesellschaft<br />
zu integrieren. 76 Die Vorstellung, ein Schulfach anzubieten, das die<br />
64 Vgl. ebd., 85.<br />
65 Vgl. ebd.<br />
66 Vgl. ebd., 92.<br />
67 Ebd., 93.<br />
68 Vgl. Hentschel 1996, 92.<br />
69 Vgl. ebd., 93.<br />
70 Vgl. ebd., 93.<br />
71 Vgl. ebd., 90.<br />
72 Vgl. Koch & Streisand 2004, 68.<br />
73 Vgl. Hentschel 1996, 94.<br />
74 Vgl. ebd.<br />
75 Vgl. Hesse 2008, 41.<br />
76 Vgl. ebd.<br />
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