Blumen aus Galiläa - Novertis
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V.<br />
Moderne Juden müssen sich nicht für die Untaten ihrer Vorfahren schuldig<br />
fühlen. Kein Sohn ist für die Sünden seines Vaters verantwortlich. Israel<br />
hätte dieses Massengrab mit der byzantinischen Kapelle und den Mosaiken<br />
zu einer ergreifenden kleinen Gedenkstätte machen können, die die Bewohner<br />
des Landes an eine schreckliche Episode der Geschichte und an die<br />
Gefahren einer auf Genozid basierenden Übermacht erinnert hätte. Stattdessen<br />
zogen es die israelischen Machthaber vor, das Grab zu zerstören und<br />
an dieser Stelle eine Tiefgarage zu bauen. Es gab nicht den leisesten Protest.<br />
Amos Oz und andere Bewahrer des jüdischen Gewissens widersetzten<br />
sich der Zerstörung geschichtlicher Überreste. Nein, nicht der des Grabes<br />
in Mamilla. Sie strengten eine Petition gegen die Verwalter der Moschee<br />
Haram al-Sharif an, weil diese eine 25 cm tiefe Furche gruben, um eine<br />
neue Rohrleitung zu verlegen. Es kümmerte sie nicht, dass der führende<br />
israelische Archäologe in einem Kommentar im Haaretz jegliche Relevanz<br />
der Arbeiten in der Moschee gegenüber der Wissenschaft verneinte.<br />
Sie beschrieben diese Tat trotzdem als „einen barbarischen Akt von Moslems,<br />
der auf die Vernichtung des jüdischen Erbes Jerusalems abzielte".<br />
Unter den Unterzeichnern der Petition fand ich zu meinem Erstaunen und<br />
zu meinem Kummer auch den Namen von Ronny Reich. Man hätte gedacht,<br />
dass er diesen Leuten hätte sagen können, wer die Überreste jüdischen<br />
Erbes in der Zisterne von Mamilla vernichtet hat.<br />
Zensurierte Geschichtsschreibung führt nur zur Verzerrung der Wahrheit.<br />
Das Akzeptieren der Vergangenheit ist ein wichtiger Schritt auf dem<br />
Weg zur Vernunft. Die Deutschen und die Japaner haben die Verbrechen<br />
ihrer Väter anerkannt, sind mit ihren moralischen Fehltritten zurechtgekommen<br />
und <strong>aus</strong> diesem Prozess als demütigere, weniger angeberische<br />
Menschen hervorgegangen, verwandt mit dem Rest der Menschheit. Wir<br />
Juden haben es bis jetzt nicht geschafft, die hochmütige Haltung des Auserwähltentums<br />
zu exorzieren, und befinden uns in einer düsteren Lage.<br />
Darum werden wir noch immer von der Idee der Überlegenheit beherrscht<br />
und es verlangt uns immer noch nach Genozid. 1982 traf Amos<br />
Oz* einen Israeli, der mit dem Schriftsteller den Traum teilte, gegenüber<br />
* Amos Oz: In the Land of Israel. London 1983.<br />
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