29.04.2014 Aufrufe

Blumen aus Galiläa - Novertis

Blumen aus Galiläa - Novertis

Blumen aus Galiläa - Novertis

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

edeckung. Ich legte mein Gewehr ab und grüßte ihn. Er erwiderte meinen<br />

Gruß und legte sein Werkzeug nieder. Wir setzten uns, jeder auf seiner<br />

Seite des Zauns. Ich packte meine Zigaretten <strong>aus</strong> und er nahm mit seinen<br />

schwieligen Fingern behutsam eine <strong>aus</strong> dem Päckchen. Wir sprachen von<br />

Olivenbäumen und Thymian, die den Hauptbestandteil der lokalen Landwirtschaft<br />

<strong>aus</strong>machen, vom heiligen Grab von Sheikh Ali oben auf dem<br />

Hügel, von einer Wasserquelle im Tal. An meinem freien Tag zog ich Zivilkleidung<br />

an und ging in sein Dorf. Er lud mich auf eine Tasse starken<br />

arabischen Kaffee mit Kardamomsamen ein. Nachbarn kamen, um mich,<br />

den Fremden, zu begrüßen. Wir machten typisch orientalische Konversation,<br />

fragten einander, ob wir mit unserem Leben zufrieden seien, nach<br />

Kindern und der Arbeit. Anscheinend waren sie ganz zufrieden mit ihrem<br />

harten, aber friedlichen Landleben. Die Israelis waren für sie nur eine neue<br />

Art von Ausländern, die nach den Jordaniern, den Briten, den Türken, den<br />

Kreuzrittern und den Römern kamen. Sie hegten keinerlei Hass und legten<br />

dem Fremden gegenüber nur ganz gewöhnliche Neugier an den Tag.<br />

Die Frau meines Gastgebers servierte uns grünliches Olivenöl, kräftigen<br />

Thymian und frisch gebackenes Landbrot, eine typisch palästinensische<br />

Mahlzeit.<br />

Wir gingen zum nahe gelegenen Brunnen. Klares, kühles Wasser floss<br />

<strong>aus</strong> einer Öffnung in einer Jahrhunderte alten Mauer, die mit einer arabischen<br />

Inschrift verziert war. Hinter dieser Öffnung befand sich ein 90 Meter<br />

langer Tunnel, von den Vorfahren meines Gastgebers in den Fels gehauen.<br />

Palästinensische Quellen müssen ständig gewartet werden. Sie können<br />

schnell verschlammen, wenn ihr Ablauf nicht regelmäßig gereinigt wird.<br />

Die Reinigung war die Aufgabe seines Sohnes Elias, aber der sei momentan<br />

in einem israelischen Gefängnis, sagte er mir beiläufig. Elias hatte<br />

eine kommunistische Zeitung mit nach H<strong>aus</strong>e gebracht, jemand informierte<br />

die Behörden darüber und die stellten ihn vor die Wahl, entweder ins Exil<br />

oder ins Gefängnis zu gehen. Palästinenser dürfen ohne gerichtliches Verfahren<br />

festgehalten werden; man nennt das „administrative Haft". Formell<br />

ist die Haftzeit auf sechs Monate begrenzt, doch sie kann so oft verlängert<br />

werden, wie das Militär es für richtig hält. Elias zog das Gefängnis<br />

in seiner Heimat dem Exil im Ausland vor.<br />

Neid ist ein übles Gefühl, dennoch beneidete ich diesen Elias <strong>aus</strong> Sannur.<br />

Ich neidete ihm seinen Platz in dieser friedlichen Landschaft und sei-<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!