Blumen aus Galiläa - Novertis
Blumen aus Galiläa - Novertis
Blumen aus Galiläa - Novertis
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DIE STADT DER VEREHRTEN<br />
Ihre Namen haben etwas von mittelalterlichen Moralspielen,<br />
doch anstatt Hoffnung, Reue und Gnade heißen die drei Schwestern Amal,<br />
Taura und Tahrir oder Hoffnung, Revolution und Befreiung. Sie sind wie<br />
ganz normale College-Mädchen gekleidet und würden nicht einmal an der<br />
Universität von Yale oder von Tel Aviv auffallen. Ihre Bücher und CDs<br />
sind die gleichen, die ich heute auf dem Regal meines Sohnes sah. Doch<br />
ihr Lächeln, ihr wunderbar glückliches Lächeln, und ihre gute Laune sind<br />
unter den gegebenen Umständen ziemlich ungewöhnlich.<br />
Vor fünfzig Jahren wurden ihre Eltern zusammen mit 750.000 Palästinensern<br />
<strong>aus</strong> der Heimat ihrer Vorfahren im Süden vertrieben. Die Schwestern<br />
wurden in eine Flüchtlingsfamilie in Halil hineingeboren – in kurzem<br />
Abstand zueinander, um die Gefängnisstrafe des Vaters wieder aufzuholen.<br />
Er weilte nur kurze Zeit bei ihnen, da sein Herz stehen blieb, als ein<br />
Siedler eine Granate in sein Wohnzimmer warf. Die jüngste Schwester<br />
Amal besucht die High School, während Tahrir bereits im zweiten Jahr an<br />
der Universität Architektur studiert, also die feine Kunst, Gedanken in<br />
Stein zu verwandeln und Häuser zu bauen. Ihrem eigenen Heim, einem<br />
bescheidenen H<strong>aus</strong> mit drei Schlafzimmern und großen Fenstern, das sich<br />
inmitten der Weinhänge des Tales befindet, steht ein schlimmes Schicksal<br />
bevor.<br />
Die schicksalhaften Botschafter standen draußen und starrten auf die<br />
Ruinen eines Nachbarh<strong>aus</strong>es, auf dessen in der Mitte eingebrochenes Flachdach<br />
und auf die grauhaarige Frau mit hellblauen Augen, die die Überreste<br />
dessen durchsuchte, was gestern noch ihr Heim gewesen war.<br />
„Yalla, ufi kvar!", schrie ein großes jüdisches Mädchen, Barbra-oderso,<br />
die alte Frau an. Hau ab!<br />
Der ebenfalls anwesende Armeeoffizier half gleich nach. Er wiederholte<br />
den Befehl auf Arabisch und während die Frau <strong>aus</strong> dem Krater kletterte,<br />
teilte er Barbra-oder-so mit, was die alte Frau ihm erzählt hatte.<br />
„Ihr neues Bein", sagte er. „Es hat 5.000 Schekel gekostet, mehr als<br />
1.000 Dollar, sie hat es vor einem Monat gekauft. Sie hat es nur für gute<br />
Gelegenheiten benutzt und als wir gestern ihr H<strong>aus</strong> zerstörten, trug sie<br />
ihre alte Prothese."<br />
75