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Blumen aus Galiläa - Novertis

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wird der Hügel weiß. Nun erstrahlt er in frischem Grün und bietet einen<br />

herrlichen Blick auf die sanft geschwungenen Hügel von Samaria.<br />

Doch für den schönsten Blick vom Hügel waren wir zu spät dran, da im<br />

Herbst die Sonne früh untergeht. Stattdessen gingen wir in der Dämmerung<br />

zur Dorfquelle hinunter, dem pulsierenden Herzen der Ortschaft. Ruhig<br />

strömte das Wasser <strong>aus</strong> der Öffnung im Stein, floss in den bedeckten<br />

Tunnel und kam am anderen Ende wieder zu Vorschein, um die Gärten<br />

zum Leben zu erwecken. Wir saßen unter den Feigenbäumen. Sie spannten<br />

ihre breiten Blätter über auf wie japanische Noh-Tänzer, die in einer<br />

stetigen graziösen Bewegung ihre Fächer heben. Im Mondlicht schwirrten<br />

zwischen den Blättern riesige Schmetterlinge umher – Fledermäuse, die<br />

in den nahe gelegenen Höhlen h<strong>aus</strong>en und in der Dunkelheit her<strong>aus</strong>kommen,<br />

um Wasser zu trinken und sich an den Früchten gütlich zu tun.<br />

Normalerweise ist eine Unterhaltung an der Quelle so spritzig und frei<br />

wie deren Wasser. Es gibt keinen geeigneteren Ort, um sich niederzulassen<br />

und mit den Dorfbewohnern über die Ernte, die guten alten Zeiten, die<br />

Kinder und den letzten Essay von Edward Said, der gerade in der Lokalzeitung<br />

abgedruckt worden war, zu plaudern. Die Bauern sind keine Tölpel.<br />

Einige von ihnen sind weit herumgereist, von Basra bis San Francisco;<br />

andere haben eine nahe gelegene kleine Abteilung der Universität besucht.<br />

Ihre politische Bildung wurde in israelischen Gefängnissen vollendet,<br />

in unserem Land eine fast unvermeidliche Etappe in der Erziehung<br />

eines jungen Mannes. Dank dieser Gefängnisaufenthalte oder dank ihrer<br />

Arbeit in der israelischen Bauindustrie sprechen die Bauern fließend Hebräisch<br />

und freuen sich darüber, es bei einer Unterhaltung mit einem freundlichen<br />

Israeli praktizieren zu können.<br />

Doch heute waren unsere Gastgeber bedrückt und ihre Sorgen spiegelten<br />

sich in ihren traurigen Augen wider. Sogar beim Abendessen, als wir<br />

mit Reis, Nüssen und Joghurt festlich bewirtet wurden, waren sie eher in<br />

sich gekehrt. Wir kannten den Grund dafür: Eine neue Bedrohung lag über<br />

der kahlen Bergkuppe und breitete ihr Netz über das Dorf <strong>aus</strong>. Die Armee<br />

hatte das Land von Yassouf für militärische Zwecke beschlagnahmt und<br />

es den Siedlern zugesprochen. Diese stellten einen Betonfertigbau hin,<br />

umzäunt von Stacheldraht, mit Wachtürmen durchsetzt, und eigneten sich<br />

den Namen der nahe gelegenen Quelle an. Die Siedlung wollte ihre Entwicklung<br />

jedoch nicht auf das Land beschränken, das sie den Leuten von<br />

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