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Blumen aus Galiläa - Novertis

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ZU BESUCH BEI JOSEPH<br />

(Dieser Essay enstand in Nablus im Februar 2001 nach der<br />

Schlacht um das Grab von Joseph.)<br />

Es ist heutzutage nicht leicht, Joseph zu besuchen. Seine Stadt<br />

Nablus ist von Straßensperren mit nervösen israelischen Soldaten umzingelt.<br />

Gräben oder Erdhaufen blockieren die kleinsten Ein- und Ausgänge.<br />

An einem normalen Morgen strömen die Pendler <strong>aus</strong> den benachbarten<br />

Dörfern in die Stadt, um zu arbeiten oder einzukaufen. Sie tun das auf<br />

eigenes Risiko und die Bewohner der Stadt riskieren ihr Leben, sobald sie<br />

ihre Häuser verlassen, denn die Soldaten schießen ohne Vorwarnung. Man<br />

kann dennoch zu Fuß in die alte Hauptstadt von Samaria gelangen.<br />

Die Stadt liegt wie ein Säckchen Myrrhe zwischen den gleich großen<br />

Brüsten der Berge Ebal und Gerizim. Nablus ist das alte Neapolis, gegründet<br />

von Titus Flavius in der Blütezeit des Römischen Imperiums. Die<br />

römischen Traditionen sind in diesem palästinensischen San Francisco mit<br />

der verschwenderischen Pracht seiner türkischen Bäder noch nicht <strong>aus</strong>gestorben.<br />

Die Stadt ist auch berühmt für ihre duftende Olivenseife, die würzige<br />

kubbeh-Suppe und die Kühnheit ihrer Einwohner. Sie stellten eine<br />

starke Guerillatruppe gegen Napoleon, lehnten sich gegen die ägyptischen<br />

Eroberer auf und hielten die jüdischen Siedler auf Abstand. Während des<br />

letzten Aufstands kam Nablus als Jabal an-Nar, der Feuerberg, zu Ruhm.<br />

Die Israelis wagten sich kaum in die engen Straßen. Heute ist diese aufsässige<br />

alte Stadt das Heim der furchtlosen Tanzim-Kämpfer.<br />

Ich kam hierher, um eine der bezauberndsten Stätten des Heiligen Landes<br />

zu besuchen, das Grabmal von Joseph, dem Helden <strong>aus</strong> den Geschichten<br />

der Bibel und des Koran. Ein einheimischer Junge „brachte es zu etwas"<br />

in Ägypten, wurde zurückgebracht und hier in der Heimat seiner<br />

Vorfahren begraben. Die Einheimischen verehren dieses Grabmal ebenso<br />

wie die unzähligen Gedenkstätten und Grabmäler auf den Hügelketten<br />

und Wegkreuzungen Palästinas. Die Gedenkstätten sind tief in der palästinensischen<br />

Seele verwurzelt; sie sind älter als alle modernen Glaubens-<br />

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