Blumen aus Galiläa - Novertis
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armenische Reiseführer begleitet seine Gäste nach Jerusalem. Ein weiterer<br />
Nachbar, ein russischer Maler, kommt vorbei, um sich etwas Zucker<br />
von mir zu leihen. Wir leben alle zusammen, eine der wenigen ungeteilten<br />
Gemeinschaften auf diesem schmalen Streifen Land zwischen der Straße<br />
und dem Meer, ein Überbleibsel des alten Jaffa.<br />
J. D. Salingers Esme würde dieses Chaos lieben. Jüdische Bulldozer<br />
haben jedes zweite H<strong>aus</strong> eingerissen und damit der Stadt ihr zerklüftetes<br />
Aussehen verliehen. Den B<strong>aus</strong>chutt haben sie in Erwartung großer Immobilienprojekte<br />
einfach an der Küste abgeladen. Sie hatten hier ein weiteres<br />
Maalot geplant, aber die Spannungen der Intifada machten ihre Pläne, Jaffa<br />
zu „judaisieren", zunichte. Nun liegt die Stadt immer noch halb in Schutt<br />
und Asche und sieht ungepflegt <strong>aus</strong>, denn die Bewohner dürfen ihre Häuser<br />
nicht reparieren.<br />
Dennoch ist dies ein guter Ort und er erinnert einen an Lawrence Durrells<br />
„Alexandria-Tetralogie". Drogendealer kreuzen mit ihren großen Cadillacs<br />
auf den ungepflasterten Straßen, Kinder in langen arabischen Gewändern<br />
spielen an einer Ecke, der Klang der Glocken der katholischen<br />
St.-Antons-Kirche vermischt sich mit dem der orthodoxen St.-Georgs-Kirche<br />
und mit dem Ruf des Muezzins der nahe gelegenen Ajami-Moschee,<br />
Fischer liefern ihren Fang an die Restaurants an der Küste, die sich auf die<br />
Abendgäste <strong>aus</strong> Tel Aviv vorbereiten, palästinensische Frauen knacken<br />
Samen und unterhalten sich vor ihren Häusern, der Duft frischer Falafel<br />
zieht von den Marktständen herüber, zehn streunende Katzen verschlingen<br />
eine große Ratte, der französische Botschafter kommt nach H<strong>aus</strong>e,<br />
eine Film-Crew dreht eine Beirut-Szene.<br />
Man nannte Jaffa einst die Braut des Ostens; es lag im Wettstreit mit<br />
seinen Nachbarn Beirut und Alexandria. Diese 100.000 Einwohner starke,<br />
von duftenden Orangenhainen umgebene Stadt besaß das erste Kino im<br />
Morgenland. Europäische Firmen hatten hier ihren Hauptsitz. Amerikaner<br />
und Deutsche bauten ihre Häuser mit roten Dächern außerhalb der<br />
Stadt und im Jahr 1909 ließen osteuropäische zionistische Juden weiter<br />
im Norden Tel Aviv entstehen.<br />
An einem dunklen Tag im November 1947 entschied die UNO unter<br />
heftigem Druck der USA, unser gemeinsames Land zu teilen. Es war nicht<br />
nötig und niemand hatte danach verlangt. Die religiösen Juden waren dagegen,<br />
aufgeklärte deutsche Juden wie Buber und Magnus ebenfalls. Die<br />
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