4. Mit einem Fuß im Gefängnis? –<strong>Gesetzliche</strong> <strong>Bestimmungen</strong>dagegen “übertragen” mit der Folge, dass sie für den bisherigen Inhaber nicht mehr,dafür aber für eine andere Person bzw. Organisation besteht. Irgendein Zeitraum, indem etwa keine Aufsichtspflicht bestünde, ist nicht denkbar.Diese Übertragung geschieht:1.3.2. Durch VertragDen Personensorgeberechtigten (Eltern) ist es möglich, die Aufsichtspflicht(und nur diese, nicht z.B. auch die Vermögenssorge, Personensorge und dasAufenthaltsbestimmungsrecht !) über ihre minderjährigen Kinder per Vertrag aufDritte zu übertragen.Dabei sind an das Zustandekommen eines solchen Vertrages keine strengenAnforderungen zu stellen, zumal eine bestimmte Form oder ein bestimmter Inhaltnicht zwingend vorgeschrieben sind. Der Vertrag braucht nicht einmal ausdrücklichgeschlossen werden, es genügt, wenn sich - wie so oft – schon aus den äußerenUmständen erschließen lässt, dass sich der Dritte der Übernahme vonAufsichtspflicht mit allen rechtlichen Folgen bewusst ist und sich auch entsprechendrechtlich binden will. Ein “schlüssiges Handeln” beider Parteien, das irgendwie aufdie Übertragung der Aufsichtspflicht schließen lässt, z.B. das kommentarloseAufnehmen von Minderjährigen in die eigene Gruppenstunde oder auch dasEntgegennehmen von Kindern bei Spielfesten, reicht also aus. Erforderlich ist aber inallen Fällen ein irgendwie gearteter “Übergabeakt” unter beidseitiger Beteiligung, sodass also der bloße einseitige Wille, Aufsichtspflicht übertragen zu wollen, ohne diesfür den Jugendleiter auch erkennbar zu machen, diese Voraussetzung nicht erfüllt.Nach der Rechtsprechung ist eine vertragliche Übernahme der Aufsichtspflicht dannanzunehmen, wenn es sich um eine“weitreichende Obhut von längerer Dauer und weitgehender Einwirkungsmöglichkeit”(vgl. BGH, NJW 1968, 1874). handelt.1.3.3. Aufsicht aus GefälligkeitAllerdings ist die Übernahme der Aufsichtspflicht abzugrenzen von der bloßen“Aufsicht aus Gefälligkeit”, der kein Wille des Übernehmenden zur rechtlichenBindung zugrunde liegt und die keine rechtliche Verpflichtung zur Aufsichtsführungbegründet. Dies kann aber nur dann angenommen werden, wenn es sich umEinzelfälle auf kürzere Zeit, Gefälligkeiten des täglichen Lebens (etwa aufgrundFreundschaft, Verwandtschaft, Nachbarschaft) oder des gesellschaftlichen Verkehrshandelt und für den Sorgeberechtigten erkennbar ist, dass der Dritte nicht an seinerStelle die Aufsichtspflicht übernehmen will. In diesem Fall liegt nur eine reintatsächliche, faktische Übernahme zur Aufsicht (nicht: Aufsichtspflicht !) vor, die aberauch (allerdings abgeschwächten) rechtlichen Anforderungen unterliegt.Auch keine Aufsichtspflicht besteht in den Fällen des sog. „offenen Betriebes“ inJugendzentren oder z.B. bei öffentlichen Spielfesten (Spielmobil). Hier bedingt schon01.03.2008 4/10
4. Mit einem Fuß im Gefängnis? –<strong>Gesetzliche</strong> <strong>Bestimmungen</strong>die Art des Angebotes ein ständiges Kommen und Gehen der Besucher, ohne dassdie anwesenden Pädagogen oder Jugendleiter immer genau wissen, welcherMinderjährige überhaupt gerade anwesend ist und mit was er sich beschäftigt. Hiergilt dagegen die Verkehrssicherungspflicht, die vom Träger der Einrichtung oder vomVeranstalter des Angebotes lediglich verlangt, die den Besuchern zugänglichenRäume und Grundstücke frei von nicht erkennbaren Gefahren (Maßstab für die„Erkennbarkeit“ von Gefahren sind die jüngsten zugelassenen Besucher) zu halten.Allerdings kommt es auch in diesen Fällen oftmals vor, dass Eltern ihre Kinder zurVeranstaltung bringen, einem dort tätigen Jugendleiter übergeben und dann davonausgehen, dass damit auch eine spezielle Beaufsichtigung gerade ihres Kindesvereinbart wurde. Akzeptiert der Jugendleiter die angebotene Übernahme desKindes ohne Einschränkungen, kommt es tatsächlich zur Übernahme vonAufsichtspflicht mit allen Konsequenzen. Wenn dies nicht gewünscht wird, geradeauch in Zweifelsfällen, muss daher den Sorgeberechtigten unmissverständlich erklärtwerden, dass wegen der Art des Angebotes, der Anzahl der Betreuer etc. eineAufsichtspflicht nicht übernommen werden kann. Die Eltern können dann selbstentscheiden, ob sie ihr Kind selbst beaufsichtigen wollen oder nicht.1.3.4. Anwesenheit der Eltern und AufsichtspflichtSchwierigkeiten und Unklarheiten bereitet oftmals die Situation, wenn Elterneinzelner Kinder bei der Gruppenaktivität (Sporttraining, Ferienfahrt, Spielfest etc.)dabei sind und sich für den Jugendleiter dann die Frage stellt, ob für die betreffendenMinderjährigen Aufsichtspflicht besteht oder nicht. Eine eindeutige Antwort lässt sichhier nicht finden, es hängt - wie so oft - vom konkreten Einzelfall ab. Maßgebend istinsbesondere, wie der Elternteil an der Aktivität beteiligt ist und welcheEinflussmöglichkeiten er überhaupt auf sein eigenes Kind hat. So wird z.B. einElternteil, der bei einem Jugendturnier beim Getränkeverkauf, als Ordner,Schiedsrichter etc. mithilft, wegen dieser Tätigkeit die Aufsichtspflicht über sein Kindkaum wahrnehmen können. Gleiches dürfte auch dann gelten, wenn der Elternteil als(Hilfs-)Betreuer an einer Ferienfahrt teilnimmt. In diesem Fall obliegt der Personseinerseits die Aufsichtspflicht über die Gruppenteilnehmer, so dass eine ständigeBeaufsichtigung des eigenen Kindes, zumal wenn sich die Gruppe teilt und das Kindeinem anderen Jugendleiter zugeordnet ist, nicht möglich ist. Andererseits verbittensich viele Eltern im Falle der unmittelbaren eigenen Anwesenheit eineAufsichtsführung durch den Jugendleiter und mischen sich - egal ob qualifiziert odernicht - in die Abläufe der Aktivität ein. Dadurch entstehen nicht nur Unsicherheitenund Ärgernisse auf beiden Seiten, sondern bisweilen auch gefährliche Situationen,wenn sich jeder auf den anderen verlässt. Um diese Probleme zu vermeiden,empfiehlt es sich, bei auch nur teilweiser Anwesenheit der Eltern die Frage derAufsichtspflicht anzusprechen und verbindlich zu klären. Im Zweifelsfall wird derJugendleiter nachzuweisen haben, dass die zunächst ihm übertrageneAufsichtspflicht aufgrund irgendwelcher Absprachen oder Ereignisse wieder auf dieEltern oder einen Elternteil zurückübertragen wurde. Entsprechend würde dann derSorgeberechtigte nachweisen müssen, dass er die Aufsichtspflicht zu einembestimmten Zeitpunkt seinerseits wieder auf den Jugendleiter zurückübertragen hat.01.03.2008 4/11