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Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

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fahrungen.<br />

Eine gute Illustration dessen bietet die Aneignung des Lautbestands <strong>von</strong> Sprachen. Ein kleines<br />

Kind kann in seinen ersten Lebenswochen den gesamten auf der Welt vorfindlichen Lautbestand<br />

menschlicher Sprachen artikulieren. Diese Plastizität aber geht im Laufe des ersten Lebensjahres<br />

mehr oder weniger stark zurück, da sich der Lautbildungs- <strong>und</strong> -wahrnehmungsapparat auf<br />

denjenigen konkreten Bestand an Lauten <strong>und</strong> Melodien einrichtet, der praktisch in der Umgebung<br />

des Kindes ausgeübt wird. So kommt es zu dem nicht selten zu beobachtenden Phänomen,<br />

dass Menschen zwar zwei oder mehr Sprachen erstklassig beherrschen, aber doch nie einen<br />

„Akzent“ verlieren, der darauf deutet, dass ihre erste Spracherfahrung vom Lautbestand einer<br />

anderen Sprache geprägt wurde.<br />

Zweisprachiges Aufwachsen als solches gefährdet die Sprachaneignung nicht, aber es sorgt für<br />

Unterschiede im Sprachbesitz, in denen die spezifische Sprachaneignungssituation zum Ausdruck<br />

kommt. Die Unterschiede im Sprachbesitz Einsprachiger <strong>und</strong> Zweisprachiger bei ihrem<br />

Eintritt in die institutionelle Sprachförderung können als Fingerzeige darauf gelesen werden,<br />

dass spezifische Fördermaßnahmen <strong>von</strong>nöten sind, <strong>und</strong> die Erfahrungen <strong>mit</strong> entsprechenden<br />

Programmen, auf die wir weiter unten eingehen, belegen, dass spezifische Maßnahmen zum<br />

Erfolg führen. Wo Gefährdungen der Sprachaneignung bei Zweisprachigen im weiteren Verlauf<br />

ihrer Sprachentwicklung beobachtet werden, sind die Ursachen dafür nicht in der Zweisprachigkeit<br />

als solcher zu suchen, sondern in den Bedingungen, unter denen sie zustande kommt. Hier<br />

sind soziale Zusammenhänge zu berücksichtigen, etwa eine allgemeine Sprach- <strong>und</strong> Bildungsferne<br />

der Familie oder andere allgemein entwicklungshemmende Sozialisationsbedingungen wie<br />

Vernachlässigung, Misshandlung, psychische Traumata. Aber es kann sich auch um ungewollte<br />

Nebenwirkungen <strong>von</strong> institutioneller Sprachförderung handeln; hierauf kommen wir später<br />

zurück.<br />

3.2.3. Sprachbesitz zweisprachiger Kinder beim Eintritt in die Erziehungs- bzw.<br />

Bildungsinstitutionen<br />

Um den Sprachbesitz <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> angemessen beschreiben zu<br />

können, reicht die Feststellung, dass sie <strong>mit</strong> zwei Sprachen leben, nicht aus. Vielmehr weisen<br />

diese beiden Sprachen noch in sich beträchtliche Besonderheiten auf, die für die Sprachaneignung<br />

<strong>von</strong> Bedeutung sind. Diese sollen hier umrissen werden, um die Komplexität der Konstellation<br />

anzuzeigen, in der sich Spracherwerb in der Migration vollzieht.<br />

Die <strong>mit</strong>gebrachte Sprache der Familie weist im Migrationszusammenhang in der Regel Merkmale<br />

auf, die sie <strong>von</strong> der Variante derselben Sprache, die in der ursprünglichen Herkunftsregion<br />

oder anderswo in der Welt gesprochen wird, deutlich unterscheidbar macht. In den Sprachen der<br />

Zuwanderer zeigt sich dasselbe Phänomen, wie es z.B. an den verschiedenen „Englischs“<br />

weltweit ablesbar ist: Sprachen verändern sich in neuen Lebensumgebungen. Das Englisch in<br />

Indien unterscheidet sich vom Englischen in Südafrika oder in Südengland. Das Türkisch der<br />

Türken in Deutschland ist nicht identisch <strong>mit</strong> dem Türkisch in der Türkei <strong>und</strong> beide unterscheiden<br />

sich vom Türkisch der Türkischsprechenden in England, Frankreich oder jeder anderen<br />

Sprachregion. Das rührt daher, dass Sprachen „lebendig“ sind: Sie werden <strong>von</strong> den Menschen,<br />

die sie benutzen, an die Verhältnisse angepasst, für deren Besprechung sie dienen. Die Sprachen<br />

der Migranten stehen vor allem unter dem massiven Einfluss der sie umgebenden Mehrheitssprachen.<br />

Dies macht sich an Veränderungen des Wortbestands zu allererst bemerkbar; Beispiele<br />

hierfür sind Einmischungen <strong>von</strong> deutschen Wörtern oder Redewendungen in die hiesigen<br />

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